Höhere Temperaturen und häufiger auftretende Hitzeperioden werden den Kühlbedarf insbesondere in der Tierhaltung weiter ansteigen lassen. Das ergab die Verwundbarkeitsanalyse von "nordwest2050". So ist nicht nur das Wohlbefinden und die Gesundheit der Tiere von der Temperatur abhängig, sondern auch die wirtschaftlichen Zuchterfolge der Landwirte. Helfen könnten Absorptionskälteanlagen, die aus der Abwärme von Biogas-BHKW den zunehmenden Klimatisierungsbedarf decken. Ein erstes Pilotprojekt wurde jetzt auf dem Hof von Landwirt Heinrich Siemering aus Varrel umgesetzt.
Hitze gefährdet Tierwohl und Zuchterfolg
Neben der Entstehung und Ausbreitung von Krankheiten und Seuchen ist unter extremen Hitzebedingungen auch das Überleben der Tiere direkt gefährdet. So musste die Feuerwehr in der Vergangenheit zum Beispiel im Landkreis Verden in Niedersachsen ausrücken, um Ställe zu kühlen, damit es zu keinem Massensterben kommt. Aber auch die Gewichtszunahme von Mastgeflügel kann durch erhöhte Temperaturen behindert werden. Daher hat sich Landwirt Heinrich Siemering aus Varrel im Landkreis Diepholz mit den nordwest2050-Experten des Clusters Energie von der Universität Bremen sowie den Firmen SolarNext AG aus Bernau und Meyer Kühlanlagen GmbH aus Wildeshausen zusammengetan, um ein energieeffizientes und umweltfreundliches Konzept zur Kühlung seiner Putenmastställe zu entwickeln.
Biogasanlage nutzt Putenmist und Maissillage
Herausgekommen ist ein nachhaltiges Konzept, das Energie- und Stoffkreisläufe auf dem landwirtschaftlichen Betrieb ab sofort sinnvoll schließt. Das "Kühlen mit Wärme"-Prinzip funktioniert dabei so: Der anfallende Putenmist aus den Mastställen wird zusammen mit Maissillage in einer Biogasanlage verwertet. Diese befindet sich auf dem Betriebsgelände und wurde zusammen von Siemering und vier weiteren Landwirten errichtet. Das anfallende Biogas wird über eine Gasleitung zu einem Blockheizkraftwerk (BHKW) geführt und dort in Strom und Wärme umgewandelt. Der Strom wird in das Netz des örtlichen Versorgers eingespeist, mit der Abwärme werden im Winter die Gärbehälter, Ställe und Wohngebäude beheizt. Im Sommer erzeugt eine Absorptionskälteanlage mit Hilfe der überschüssigen Abwärme Kaltwasser, mit dem die Kühlregister betrieben werden, die die Zuluft in die Putenmastställe abkühlt.
Einsatz in Intensivlandwirtschaft muss kritisch hinterfragt werden
Kühlung und Klimatisierung durch Absorptionskälteanlagen, die Ihre Antriebsenergie aus der Restwärme solcher dezentralen Anlagen beziehen, sind für diverse Aufgaben in landwirtschaftlichen Betrieben und im Ernährungssektor einsetzbar. Besonders interessant scheinen hier beispielsweise Betriebe aus dem Obstanbau, die ihre Früchte sehr lange Zeit in Lagerhäusern kühlen oder auch andere Nahrungsmittelverarbeiter, die sich in der Nähe von geeigneten Abwärmequellen befinden. Die Anwendung der Kühltechnologie im Rahmen von Intensivlandwirtschaft muss trotzdem unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit kritisch diskutiert werden. Dennoch ist das Kühlen mit Abwärme aus Biogasanlagen eine kurzfristig verfügbare Anpassungsmaßnahme für ein aktuelles Problem.
Weitere Informationen zum Innovationsprojekt "Putenstallklimatisierung durch Abwärmenutzung eines Blockheizkraftwerkes" erhalten Sie im angefügten Steckbrief.