Geomikrobiologen vom Zentrum für Angewandte Geowissenschaften der Universität Tübingen unter der Leitung von Prof. Andreas Kappler haben jetzt in Zusammenarbeit mit Forschern von der University of Wisconsin (USA), der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) und der Humboldt-Universität zu Berlin gezeigt, dass Mikroorganismen in Abwesenheit von Sauerstoff feste organische Bodenteilchen, sogenannte Huminstoffe, als Ersatz für Sauerstoff zur Atmung verwenden können. Die Huminstoffe werden dabei mit Elektronen beladen, die sie weitergeben – im Boden fließt Strom.
Bei der sogenannten aeroben Atmung mit Sauerstoff werden beim Abbau organischer Verbindungen zur Energiegewinnung Elektronen frei. Diese werden auf Sauerstoff übertragen, der in die Zellen aufgenommen und dort zu Wasser umgewandelt wird. Diesen Prozess kann man leicht verfolgen, wenn man beim Ausatmen die ausströmende Luft gegen ein Brillenglas oder eine Fensterscheibe bläst, wo das neugebildete Wasser zu sehen ist. Manche Mikroorganismen sind in der Lage, eine solche Atmung unter sauerstofffreien Bedingungen durchzuführen, wobei die Elektronen dann nicht auf Sauerstoff, sondern zum Beispiel auf Nitrat oder Sulfat übertragen werden. Dann wird Stickstoff beziehungsweise unangenehm riechender Schwefelwasserstoff freigesetzt – diese Prozesse laufen zum Beispiel im hauseigenen Kompost ab.
Die Forscher konnten nun zeigen, dass Bakterien in Böden und Sedimenten noch ein weiteres wichtiges Reservoir an Stoffen haben, an die sie die Elektronen abgeben können, und zwar an festes organisches Material, die Huminstoffe. Sie entstehen aus abgelagerten absterbenden Pflanzen und anderen Lebewesen und stellen den größten Vorrat an organischem Kohlenstoff in Böden und Sedimenten dar. Die Mikroorganismen sind in der Lage, solche Huminstoffe zu veratmen, sie bei der Übertragung von Elektronen sozusagen als Sauerstoffersatz zu verwenden. Was den beobachteten Prozess noch bedeutender macht, ist die Tatsache, dass die Huminstoffe die Elektronen nicht behalten, sondern an die in Böden und Sedimenten enthaltenen Eisenminerale weitergeben. Sie fungieren sozusagen als Elektronenbrücke oder Elektronenshuttle zwischen den Bakterien und den Eisenmineralen. Da die Weiterleitung von Elektronen nichts anderes ist als fließender Strom, leiten die Huminstoffe Strom von den Bakterien zu den Eisenmineralen. Solche Prozesse waren bisher nur bei gelösten organischen Verbindungen bekannt, nicht aber von festen organischen Bodenteilchen.
Quelle: Eberhard Karls Universität Tübingen