Der Klimaschutzplan der Bundesregierung sieht vor, die CO2-Emissionen im Gebäudesektor von heute 120 Millionen Tonnen bis 2030 auf rund 70 Millionen Tonnen zu senken. Bis 2050 muss Deutschland seinen Ausstoß von Treibhausgasen um mindestens 80 Prozent reduzieren.
Um bis 2050 einen „nahezu klimaneutralen Gebäudebestand“ zu erreichen, gibt es im Wesentlichen zwei Optionen: Zum einen den Einsatz synthetischer Brennstoffe zur Wärmeerzeugung, zum anderen die Elektrifizierung der Heizungen mit Hilfe von Wärmepumpen.
Klimaschutzziele machen 2050 6,5 bis 16 Millionen Wärmepumpen notwendig
In einer umfangreichen Leitstudie "Integrierte Energiewende - Impulse für die Gestaltung des Energiesystems bis 2050 Ergebnisbericht und Handlungsempfehlungen" hat die Deutsche Energieagentur (dena) diese zwei Szenarien näher untersucht:
- Das Technologiemixszenario, in dem eine breitere Auswahl von Energieträgern zum Einsatz kommt, darunter mehr gasförmige und flüssige Kraft- und Brennstoffe, die mithilfe von erneuerbaren Energien synthetisch erzeugt werden.
- Und das Elektrifizierungsszenario, in dem Strom die dominierende Rolle spielt und den Verbrauch in den Sektoren Gebäude, Industrie und Verkehr weitestgehend deckt, zum Beispiel durch verstärkten Einsatz von Wärmepumpen, strombasierten Produktionsanlagen und Elektroantrieben.
- Ein Referenzszenario, das die aktuellen Rahmenbedingungen ambitioniert fortschreibt, reduzierte die Emissionen hingegen nur um 62 Prozent und steht der Zielerreichung damit entgegen.
Im Technologiemix- als auch im Elektrifizierungsszenario werden verstärkt erneuerbare Energieträger eingesetzt, vor allem über Wärmepumpen und durch den Einsatz von Power Fuels. Im Technologiemixszenario sind laut dena-Leitstudie 2050 mindestens 6,5 Millionen Wärmepumpen notwendig, im Elektrifizierungsszenario sogar mindestens 16 Millionen.
2018 wird der Bestand an Wärmepumpen in Deutschland auf 800.000 bis 1 Millionen geschätzt. Um die deutschen Klimaziele zu erreichen, wäre also ein massiver Ausbau der Wärmepumpen-Heizwärmeversorgung vonnöten. Aber welche Auswirkungen hätte dieser massive Ausbau auf das Stromnetz in Deutschland? Kann es in Spitzenzeiten im Winter zu einer sogenannten „kalten Dunkelflaute“ kommen? Diesen Fragen ist jetzt das Analysehaus Aurora Energy Research in der Studie "Are ´kalteDunkelflauten´ killing the electrification of the heating sector?" nachgegangen.
In einem „Medium-Scenario“ wurden bis 2035 2,5 Millionen installierte Wärmepumpen angenommen, die rund elf Prozent der Wärmenachfrage in Gebäuden decken. In einem „High-Scenario“ hat Aurora Energy Research 2035 einen Bestand von 5 Millionen Wärmepumpen angenommen, die rund 20 Prozent des Wärmebedarfs decken.
Wärmepumpen-Effekt auf Börsen- und Spitzenstrompreis vernachlässigbar
Zentrales Ergebnis: Ein starker Ausbau der Wärmepumpenversorgung hätte auf den Basisstrompreis relativ geringe Auswirkungen, im „Medium-Scenario“ steigt der durchschnittliche Börsenstrompreis (Baseload-Strompreis) bis 2035 um nur 1 Euro pro Megawattstunde (MWh), im „High-Scenario“ um 5 Euro pro MWh. Größer ist der Effekt bei den Spitzenstrompreisen: Sie würden vor allem in Zeiten mit geringer Ökostrom-Erzeugung stärker ansteigen und so das Ökostrom-Angebot börsenwirksam verknappen.
In einigen Stunden müssten dann Reservekraftwerke aktiviert werden, sagt Casimir Lorenz, Autor der Studie bei Aurora Energy Research. Um in diesen Zeiträumen nicht Strom importieren zu müssen, bräuchte es entsprechende Spitzenlastkapazitäten. Allerdings zeigten die Berechnungen von Aurora, dass der Anstieg der Spitzenstrompreise in einem normalen Wetterjahr dennoch so gering ausfallen würde, dass es sich speziell für eine massiven Wärmepumpenausbau nicht lohnen würde, zusätzlich in Gaskraftwerke zu investieren.
In Extremwetterjahren mit außergewöhnlich kalten Wintern und langanhaltend niedriger Erneuerbaren-Erzeugung sieht das anders aus. Häufigkeit und Dauer der Reserveaktivierungen würden in solchen Jahren ansteigen und die Spitzenstrompreise weiter in die Höhe treiben.
Die Aurora-Studie nennt hier für das „High-Scenario“ eine nationale Kapazitätslücke von 16 GW, um im Winter nicht von Importen abhängig zu sein. Diese Lücke könne man durch vergleichsweise geringe Investitionen - Aurora schätzt diese auf etwa 800 Millionen Euro pro Jahr - in flexible Gaskraftwerke als Reservekapazitäten schließen.
Experten fordern geringere Strompreis-Umlagen für Wärmepumpen
Die dena-Leistudie als auch die Aurora-Studie legen nahe, dass jedoch ohne regulatorische Änderungen, kein schneller Wärmepumpenausbau möglich sei. Die im Klimaschutzplan der Bundesregierung angestrebte Reduktion der CO2-Emissionen im Gebäudesektor blieben damit in weiter Ferne. Ohne weitere politische Impulse können die Klimaziele so in keinem Fall erreicht werden. Daher fordern die Autoren der Aurora-Studie die Politik auf, Investitionen in Wärmepumpen beim Heizungsaustausch wirtschaftlich attraktiver zu machen.
Ein Hebel stelle die Reduzierung der hohen staatlichen Umlagen auf Wärmepumpen-Strom dar. Denn der Strompreis wird von vielen staatlich indizierten Bestandteilen, Umlagen und Entgelten in die Höhe getrieben. Sie machen inzwischen etwa 75 Prozent des Wärmepumpenstrompreises aus: Würden die Umlagen für Haushaltskunden mit Wärmepumpe um 40 Prozent (rund 9 Cent pro kWh) gesenkt, so die Autoren von Aurora Energy Research, wäre die Technologie auch bei Renovierungen wettbewerbsfähig.
Basierend auf den Ergebnissen der dena-Leitstudie und der Aurora-Studie zum Wärmepumpen-Ausbau empfehlen Experten daher der Politik, neben einer deutlichen Verbesserung der Förderung und einer Weiterentwicklung des Ordnungsrechts einen verlässlichen Rahmen für CO2-Vermeidung zu schaffen.