Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht in dem Kompromiss der Regierungsparteien für einen Atomausstieg bis 2022 keine akzeptable Antwort auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima. Die Atomenergie sei ein tägliches, unverantwortbares Risiko für die Bevölkerung und könne viel schneller durch umweltfreundliche und sichere Alternativen ersetzt werden. Auch Germanwatch kritisiert die Koalitionsgespräche der letzten Nacht vor allem wegen der Schlupflöcher der Kaltreserven und der ins Auge gefassten massiven Streichungen für die Solarenergie als unzureichend.
Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender: "Angela Merkel inszeniert sich als Mutter Theresa der Energiewende. Sie setzt weiter auf eine Verschleppung des Atomausstiegs bis 2022. Immer noch gibt es Hintertüren, die ein Rollback beim Atomausstieg ermöglichen. Wenn einer der alten und störanfälligen Atommeiler weiter in Reserve gehalten werden soll, ist dies nicht nur inkonsequent, es ist auch ein viel zu großes Risiko." Alle deutschen Atomkraftwerke hätten gravierende Sicherheitsprobleme. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit, alle Reaktoren ohne Wenn und Aber und ohne Verzögerungen vom Netz zu nehmen. Weiger: "Es wird keine Stromausfälle und es wird keine Importe von Atomstrom geben. Jede Hintertür für den endgültigen und sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie ist Gift für die dringend erforderliche Energiewende."
Den Energiekonzernen dürfe auf keinen Fall ermöglicht werden, den Atomausstieg zu verschleppen und Abschaltdaten zu verschieben. Weiger forderte deshalb eindeutige und verbindliche Abschaltdaten für jeden Atommeiler. Nur dann gebe es die Investitionssicherheit, die der deutsche Energiesektor dringend benötige. Deutschland könne ein Modell für andere Staaten sein, wenn es auf die gefährliche Atomenergie verzichte. Eine Neuorientierung der Bundesregierung in Sachen Energiepolitik sei nur glaubhaft, wenn der Atomausstieg einem schnellen und klaren Fahrplan folge.
Germanwatch bewertet den Schlussbericht der Ethik-Kommission "Sichere Energieversorgung" als ambivalent: "Mit einem festen Enddatum 2021, das nicht verlängerbar ist, würde Deutschland ein auch international äußerst wichtiges Signal setzen", erklärt Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch. "Es ist auch positiv, dass die Kommission die deutschen Klimaziele auch bei einem schnelleren Ausstieg für unverrückbar hält", so Milke weiter. Deutschland hatte im Energiekonzept festgelegt, bis 2020 die Treibhausgase um 40 Prozent und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu verringern.
"Leider vermeidet die Kommission konkrete Aussagen in drei Punkten: Erstens fehlt die Präzisierung für den für möglich gehaltenen Weg für einen noch früheren Atomausstieg. Die Einführung eines parlamentarischen Beauftragten und eines Nationalen Forums kann das allein nicht leisten. Zweitens verschweigt sie, dass Deutschland sein 40-Prozent-Klimaziel nur erreichen kann, wenn auch die EU ihr CO2-Emissionsreduktionsziel auf mindestens 30 Prozent erhöht. Denn die Emissionsreduzierungen für die deutsche Industrie und Energiewirtschaft orientieren sich am niedrigen EU-Ziel. Drittens spricht die Kommission vom notwendigen Neubau effizienter, fossiler Kraftwerke. Sie sagt aber nicht, dass dies keine Kohlekraftwerke sein dürfen, damit die Klimaziele für 2050 erreichbar bleiben", so Milke.