Bürgerstrom: Handelstechnik, Kosten und Probleme
Als einen Handel mit Bürgerstrom definiert die im Auftrag von dem Bündnis Bürgerenergie e. V. erstellte Energy Brainpool-Studie "Impulspapier Bürgerstromhandel" die Möglichkeit, dass BesitzerInnen einer PV-Dachanlage („ProsumentInnen“) Überschussstrom, den sie zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht selbst nutzen, über das öffentliche Netz an andere VerbraucherInnen in der Nachbarschaft liefern. So würden das EEG und damit die Umlagezahler um den Bürgerstromanteil entlastet und die Stromnetzdienlichkeit lokaler Photovoltaikanlagen deutlich verbessert werden.
Bürgerstrom-Handel technisch auch ohne Smart Meter möglich
Technisch wäre der Handel von Strom zwischen Bürgern vergleichsweise einfach und auch ohne Smart Meter machbar. Laut Energy Brainpool wäre dazu eine Beschränkung des Bürgerstromhandels auf die gleiche Netzebene technisch sinnvoll. Ein geeignetes regionales Kriterium sei der Netzanschluss hinter dem gleichen Umspannwerk.
Der Handel mit Bürgerstrom muss zudem nicht zwangsläufig über Smart Meter gemessen werden. Es könnten alternativ auch Lastgänge über ein Standardlastprofil des Netzbetreibers gebildet werden. Die energiewirtschaftliche Umsetzung erfolge dann mittels Fahrplänen zwischen den Bilanzkreisen der beteiligten Energieversorgern: Das Energieversorgungsunternehmen (EVU) des Käufers führt nun entweder neben dessen Verbrauchsprofil auch das Profil des überschüssigen Bürgerstroms viertelstundenscharf in seinem Bilanzkreis auf oder bildet einen Unterbilanzkreis für jeden Marktteilnehmer.
Um den Handel mit Bürgerstrom zu realisieren, sei es auch denkbar, für jeden Marktteilnehmer einen Unterbilanzkreis zu bilden, der dem Bilanzkreis der EVU zugeordnet wird. Die Mengen eines jeden Bürgerstromhandels würden so getrennt bilanziert werden. Das EVU sei dann aber immer noch verantwortlich für alle auftretenden Abweichungen und die Ausgleichsenergieabrechnung. Dieses Modell würde jedoch die Kosten der Bilanzkreiskoordination erhöhen.
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Stromhandel zwischen Bürgern bislang unwirtschaftlich
Laut der Energy Brainpool-Studie sei der Handel zwischen Prosumenten und ihren Nachbarn theoretisch bereits heute möglich. Trotzdem stehen dieser kleinteiligen Form eines Bürgerstrommarktes aktuell noch unverhältnismäßig hohe Hürden gegenüber: Dies sind vor Allem die Stromnebenkosten und der mit der Lieferung von Bürgerstrom verbundene erhebliche Verwaltungsaufwand. Eine z. B. Abwicklung per Blockchain kann dabei helfen, die Transaktionen selbst deutlich zu vereinfachen und deren Kosten zu reduzieren, jedoch nicht die steuerlichen und regulatorisch-formalen Kosten eines Verkaufs und Kaufs von Bürgerstrom reduzieren helfen.
Liefert der eine Nachbar seinen PV-Strom an den anderen über das öffentliche Netz, so wäre auf diesen Strom nämlich immer zusätzlich eine Vielzahl von regulierten Stromnebenkosten aufzuschlagen. Diese machen gegenwärtig 80 Prozent des Endkundenstrompreises aus - insgesamt sind dies bis zu 19 ct/kWh ohne Mehrwertsteuer. Alleine die hohen Stromnebenkosten machen einen Stromhandel zwischen Bürgern unwirtschaftlich.
Hinzu kommen noch die Kosten für die Verwaltung: Zu den einen Bürgerstromhandel verteuernden Kostenkomponenten zählen u.a. die Pflicht von NetznutzerInnen, einen Bilanzkreis zu führen, Meldepflichten in verschiedenen Stadien des Handelsprozesses, sowie formale Anforderungen an Stromlieferverträge, Messung und Abrechnung.
Bürgerstrom muss von Nebenkosten entlastet werden
Aus rechtlicher Sicht könne ein Bürgerstromhandel in der Unterform der im EEG geregelten "Sonstigen Direktvermarktung“ abgewickelt werden. Dies hätte die wirtschaftliche Konsequenz, dass die Solaranlage keine Einspeisevergütung mehr erhalten würde - auch nicht für Reststrommengen, die weder die ProsumentInn noch der Käufer verbraucht haben.
Reststrommengen werden dann lediglich entsprechend des jeweiligen Marktpreises vergütet. Demgegenüber sollte für Verkäufer und Käufer für den gesamten von der PV-Anlage erzeugten Bürgerstrom immer dann keine EEG-Umlage anfallen, wenn entweder die Prosumentin selbst oder der Käufer diesen Strom verbraucht.
Darüber hinaus sollte laut Energy Brainpool der Bezug von Bürgerstrom mit reduzierten Netzentgelten ("Nah-Netzentgelt") einhergehen. Gerade die Erhebung der Stromsteuer könne, sofern die Stromlieferung im räumlichen Zusammenhang erfolgt, entfallen.
Teilweise sei ein Wegfall oder jedenfalls eine deutliche Reduzierung der Pflicht von der Zahlung bestimmter netzbezogener Stromnebenkosten, Umlagen und Steuern gerechtfertigt. Denn ein Wegfall bzw. eine Reduzierung der EEG-Umlage und der Netzentgelte seien durch Kostenentlastungen (EEG-Umlage) und Effizienzvorteile (Netzdienlichkeit) begründbar.
Eine rechtliche Grundlage zur Befreiung des Bürgerstroms von der Stromsteuer läge wahrscheinlich bereits heute vor, so die Autoren der Studie. Eine Reduzierung von Entgelten für zum Beispiel für die Messung, Messstellenbetrieb, Abrechnung oder die Konzessionsabgabe sei hingegen nicht durch Effizienzgewinne oder Kostenvorteile begründet. Diese Kosten müssten dann verlagert werden, um den Bürgerstrom finanziell wirtschaftlich zu machen.
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Bürgerstromhandel schafft neue Geschäftsfelder für EVU
Um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren, sollte auf Meldepflichten für Bürgerstromlieferanten verzichtet werden. Denn der gesamte vom Käufer bezogene Strom könne durch das Käufer-EVU erfasst werden, während der eingespeiste Strom von demjenigen Netzbetreiber erfasst wird, an den die jeweilige Photovoltaik-Anlage angeschlossen ist. Für einen solchen Kleinstmengenhandel sei eine sehr vereinfachte Form des Netznutzungsvertrags im Sinne einer Anzeigepflicht ausreichend.
Die Rolle der EVU sieht Energy Brainpool in diesem Bürgerstrom-Szenario sowieso verstärkt als Dienstleister, die für einen dezentralen Lastausgleich sorgen. So könnten EVU als "neues" Geschäftsfeld Energiedienstleistungen anbieten, die dem Kunden helfen, dezentralen Überschussstrom aufzunehmen. Dies sei insbesondere beim Zubau und Betrieb von Photovoltaik-Stromspeichern und dem gesteuerten Laden von Elektrofahrzeugen bedeutsam und könnte zu "Bürgerstromprodukten mit hoher Glaubwürdigkeit" führen.
Bürgerstrom möglich, aber noch viele Hürden zu nehmen
Das Fazit des Impulspapiers ist ermutigend: Mit sachgerecht reduzierten Stromnebenkosten, verringertem Verwaltungsaufwand und der Unterstützung bürgernaher Dienstleister sei es möglich, einen wirtschaftlichen Überschussstromhandel zwischen Nachbarn herzustellen. Praktisch sind jedoch noch sehr viele Hürden zu nehmen, die höchsten politischen Willen voraussetzen, um diese im Sinne eines funktionierenden und verlässlichen Bürgerstrommarktes abzubauen.
Es lohnt sich jedoch: "Mehr Markt und Freiheit für Bürgerinnen und Bürger" beim Handel mit erneuerbar erzeugtem Bürgerstrom würde den Zubau klimafreundlicher Kleinkraftwerke gerade in städtischen Regionen attraktiver machen, die digitale Innovation des Sektors und letztlich die Dezentralität der Energiewende fördern.