Experten warnen: Gasumlage darf nicht zur Bad Bank werden!
Viele Stadtwerke werden in den kommenden Wochen ihre Erdgas-Kundinnen und -Kunden anschreiben und über neue Preise informieren. Ursächlich sind einerseits die weltweit steigende Nachfrage nach Erdgas infolge der wiedererstarkenden Wirtschaft nach der Coronakrise. Die Gaspreise erreichten zum Jahreswechsel 2021/2022 bereits einmal Spitzenwerte.
Andererseits hat sich die Situation auf dem Erdgasmarkt mit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine nochmals deutlich verschärft. Die Lage ist aktuell äußerst volatil, zumal nicht klar ist, wie viel Erdgas in Zukunft noch aus Russland kommt. Alternative Beschaffung aus anderen Quellen, etwa sogenanntes LNG (verflüssigtes Erdgas) ist deutlich teurer als der bisherige Erdgasbezug über Pipelines.
Um zentrale Gashändler wie Uniper, die Ersatz für die ausbleibenden russischen Gaslieferungen teurer aus anderen Ländern beschaffen müssen, nicht pleitegehen zu lassen, hat die Bundesregierung Ende Juli eine „Gasumlage“ beschlossen. Die den Großhandelsunternehmen entstehenden Mehrkosten der Gasbeschaffung sollen damit auf alle Endkunden verteilt werden. Die Gasumlage soll bereits zum 1. Oktober 2022 in Kraft treten.
Gasumlage darf nicht der Absicherung von Gewinnen auf Kosten der Verbraucher dienen
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) begrüßt, dass im vorliegenden Entwurf der Verordnung zur Gasumlage nach §26 EnSiG die Ausgleichszahlungen ausschließlich der Verhinderung von Insolvenzen, nicht aber der Absicherung von Gewinnen auf Kosten der Verbraucher dienen dürfen. Jedoch wird dieser Ansatz nicht durch entsprechende Vorgaben abgesichert.
"Die Erfüllung der Anspruchsberechtigung nach § 2 Absatz 1 durch den Prüfvermerk eines Wirtschaftsprüfers oder vergleichbarer Einrichtungen als gegeben anzusehen, genügt aus unserer Sicht diesem Anspruch nicht."
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert daher absolute Transparenz bei der Weitergabe von Zusatzkosten durch Energielieferanten an die Endverbraucher:innen und, dass Unternehmen entsprechend dem Anteil ihres Verbrauchs an den umzulegenden Kosten beteiligt werden. Eine Querfinanzierung durch private Haushalte dürfe es nicht geben.
In seiner Stellungnahme macht der vzbv konkrete Vorschläge, wie Kosten transparent und überprüfbar weitergegeben werden können, welche Kosten einzubeziehen sind und unter welchen Umständen Unternehmen Ersatzansprüche gegenüber ihren Lieferanten geltend machen müssen, um Zahlungen aus der Gasumlage behalten zu dürfen.
- Der vzbv fordert, dass Gasimporteure eigene Ansprüche, die sie gegenüber einem Lieferanten haben, auch bei geringeren Erfolgsaussichten durchsetzen müssen. § 2 Absatz 6 des Verordnungsentwurfs verpflichtet Gasimporteure hierzu bislang nur bei überwiegenden Erfolgsaussichten.
- Darüber hinaus sei eine Pflicht zur Rückzahlung von nur 20 Prozent bei Verstoß gegen diese Pflicht nicht angemessen und sollte bei mindestens 50 Prozent liegen oder zumindest deutlich höher angesetzt werden. Alternativ sei eine Abtretung der Ansprüche an eine von der Bundesregierung als Treuhänder zu benennende Stelle zu prüfen.
- § 5 Absatz 2 sei hinsichtlich der Kosten des Marktgebietsverantwortlichen, die ihm im Zusammenhang mit dem Ausgleichsverfahren entstehen und in die Umlage einbezogen werden können, viel zu ungenau gefasst und verursache unnötige Kosten für Endverbraucher:innen.
- Wie genau die Weitergabe der Kosten an die Endverbraucher:innen erfolge, solle zudem transparenter erfolgen. Es müsse laut vzbv klar werden, welche Preisbestandteile aus welchen Gründen an die Endverbraucher:innen weitergegeben werden und welche Rechte Verbraucher:innen in dieser Situation zustehen.
"Gasumlage sollte von der Mehrwertsteuer befreit werden"
Der Bundesverband Der Mittelstand. BVMW fordert die Bundesregierung auf, endlich klar zu sagen, welche zusätzlichen Kosten auf Privathaushalte und Unternehmen zukommen, wie die Belastungen für Verbraucher aufgefangen werden können, und wie die mehrfach angekündigten Einsparziele umgesetzt werden sollen.
"Allgemeine Spar-Appelle helfen nicht weiter. Angesichts neuester Berechnungen, dass die angekündigte Gasumlage ab Oktober mit jährlichen zusätzlichen Kosten von bis 1.000 Euro für einen Durchschnittshaushalt zu Buche schlagen kann, anstatt der von Bundeskanzler Scholz bislang avisierten 200 bis 300 Euro, muss die Regierung unverzüglich handeln", erklärt Markus Jerger, Vorsitzender des BVMW.
"Schon in der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass Krisen eine klare Kommunikation erfordern. Die Unklarheit und Vielstimmigkeit der Regierung muss ein Ende haben", so Jerger weiter.
Die Frage, was die Verbraucher in der neuen Heizperiode erwartet, treibe nicht nur die Privathaushalte, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen um. Die Bundesregierung war bei der Vorstellung der Gasumlage, die ab Oktober gelten soll, von zwei Cent pro Kilowattstunde (kWh) ausgegangen, neueste Berechnungen legen im Worstcase bereits 5 Cent pro Kilowattstunde zugrunde.
Jerger: "Zwar sei ein neues Entlastungspaket angekündigt worden, wie dieses aussehen soll, sei jedoch nicht ersichtlich", kritisiert Jerger. "Eine mögliche temporäre Befreiung der Energielieferungen von der Mehrwertsteuer wäre aus Sicht des Mittelstandes ein erster Schritt, um das Vertrauen der Verbraucher wieder herzustellen."