So funktioniert die Umlage der Netzentgelte auf die Verbraucher
Das Kosten- und Preissystem für die Nutzung der Stromversorgungsnetze der allgemeinen Versorgung wurde nach 1998 im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes und der Einführung der Regulierung der Stromversorgungsnetze aufgebaut. In diesem System werden den Netzbetreibern regulierte Erlöse für den Erhalt und die Bewirtschaftung der Netze sowie für Investitionen in die Netze zugestanden. So fallen laut Bundestagsdrucksache 17/536 jährlich mehr als 17 Milliarden Euro für den Betrieb, Erhalt und Ausbau des Stromnetzes in Deutschland an.
Die Netzbetreiber sind daher berechtigt, von den Netznutzern, die das Stromnetz zur Entnahme von Strom nutzen, Netzentgelte zu erheben. Die Kosten der Aufrechterhaltung und des Betriebs der Netzinfrastruktur tragen somit die Netzkunden, die Strom aus dem Netz zum Verbrauch entnehmen. Diese Kostenallokation beruht darauf, dass davon ausgegangen wurde und wird, dass das Stromnetz den Verbrauchern zur Stromversorgung dient und diese als Verursacher dieses Infrastrukturbedarfes auch die Kosten tragen sollen.
Die Höhe der Netznutzungsentgelte wird von den Übertragungsnetzbetreibern wie Tennet, 50Hertz, Amprion oder TransnetBW auf Basis der Netzentgeltverordnungen (StromNEV und GasNEV) berechnet und von der Bundesnetzagentur genehmigt. Allerdings werden die rund 860 Betreiber von Stromnetzen nicht alle von der Bundesnetzagentur beaufsichtigt. Unabhängig von der Netzagentur genehmigen zudem neun Landesregulierungsbehörden die Erlösobergrenzen inklusive der Investitionspläne für kleine und lokale Netze.
Von einem Haushaltskunden in der Grundversorgung mit einem Jahresverbrauchsband zwischen 2.500 und 5.000 kWh waren zum Stand April 2016 im Durchschnitt Netzentgelte in Höhe von 6,71 Cent pro Kilowarttstunde zu entrichten. Das entspricht einem Anteil von rund 22% am Gesamtelektrizitätspreis dieses Kundensegments.
Darum sind die Netzentgelte regional unterschiedlich hoch
Die Höhe der über den Strompreis zu zahlenden Netzentgelte kann jedoch bundesweit, je nach Entnahmefall und Region, wesentlich abweichen. Insbesondere ländliche Regionen müssen im Vergleich zu Ballungszentren höhere Netzentgelte in Kauf nehmen, da dort auf einen Kilometer Leitungslänge weniger Abnehmer kommen, auf die die Netzentgeltkosten verteilt werden können. Darüber hinaus mussten Energieversorger beispielsweise in Ostdeutschland stark in den Netzausbau investieren, um u.a. Kohlestrom in die Hauptstromtrassen zu leiten. Auch das hat Auswirkungen auf die Höhe der Netzentgelte in den einzelnen Regionen.
Zu einem der wichtigen Faktoren, der die Kosten der Netzentgelte steigen lässt, zählt auch der Ausbau erneuerbarer Energien. Denn dort, wo viele Windräder und Solaranlagen angeschlossen wurden und entsprechend viel investiert werden musste, sind auch die Netzentgelte stark gestiegen. Dies sind besonders Regionen, die im Übertragungsnetzbetrieb der Tennet und von 50Hertz liegen. Ein Beispiel ist die Nord-Süd-Stromtrasse, die grünen Strom von der Küste in die Alpen transportieren soll. Aufgrund der dafür nötigen Investitionskosten hat Tennet Ende des Jahres 2016 angekündigt ihre Netzentgelte um rund 80 Prozent zu erhöhen.
Energieanbietern in diesen Regionen bleibt dann oftmals nichts anderes übrig, als diese Netzentgelte an die Stromkunden weiterzugeben. So stellt die regionale Wälzung von Netzkosten Regionen mit niedriger Absatzdichte und hohem Ausbau der erneuerbaren Energien schlechter als den Rest der Republik dar.
Eigenverbrauch verschärft ungleiche Verteilung der Netzentgelte
Hierzu kommt der Umstand, dass durch die steigenden Bezugskosten insbesondere durch Netzentgelte und sinkende Gestehungskosten durch Erneuerbare Energien, der Anreiz steigt, Strom für den eigenen Bedarfselbst zu erzeugen und zu verbrauchen. Dies wiederum führt jedoch dazu, dass sich die Netzentgelte auf weniger Verbraucher aufteilen und somit wiederum steigen. Dies erhöht dann wieder den Anreiz zur Eigenerzeugung in Gebieten mit hohen Netzentgelten. Teure Netze haben damit ein Potenzial zu einer selbstverstärkenden Umverteilungsdynamik: Je höher die Entgelte, die für aus dem Netz bezogenen Strom zu bezahlen sind, desto größer ist der Anreiz für den Eigenverbrauch.
Verstärkt wurde dieser Effekt noch zusätzlich, indem die dezentrale Eigeneerzeugung pauschal ohne Betrachtung der tatsächlichen Wirkungen als entlastend für die vorgelagerten Netzebenen eingestuft wurde und über die vermiedenen Netzentgelte - 2014 waren dies rund 1,6 Milliarden Euro - gemäß § 18 Stromnetzentgeltverordnung vergütet wurde. Die EEG-Förderung trug damit auch zur Verschärfung der ungleichen Verteilung der Netzentgelte bei. Daher beschloss das Bundeskabinett im Januar 2017 einen Gesetzentwurf, der eine schrittweise Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte vorsieht.
Eine faire Allokation der Kosten des Stromnetzes auf die Gesellschaft (Kunden, Wirtschaft und Staat) wird mit fortschreitender Energiewende immer dringender. Experten führen daher seit Längerem Experten führen daher seit Längerem unterschiedliche Konzepte ins Feld, die Anknüpfungspunkte bieten sollen, um die Netzentgeltsystematik an die bestehenden Herausforderungen der Energiewende anzupassen.
Breites Bündnis für bundesweite Angleichung der Netzentgelte
Einer dieser Vorschläge ist die bundesweite Angleichung der Netzentgelte. Diese wurde ebenfalls vom Bundesrat im derzeitigen Gesetzgebungsverfahren als Maßnahme zur wirksamen Abmilderung der regionalen Unterschiede bei den Netzentgelten gefordert, jedoch bislang nicht berücksichtigt.
Wie dringend die bundesweite Angleichung der Netzentgelte ist, spiegelt nun auch ein vom Netzbetreiber 50 Hertz initiierter Brief wieder, den 87 Geschäftsführer von Unternehmen, Vorständen und Kammern vor wenigen Tagen an die Bundeskanzlerin geschrieben haben. Sie zeigen darin „die ungerechte Schieflage“ bei der Verteilung der Netzentgelte auf, die mit der überarbeiteten Fassung des Netzentgeltmodernisierungsgesetzes (NEMoG) zum Tragen kommen soll. Kritisiert wird vor allem, dass die beim Ausbau der Stromnetze anfallenden Kosten den Regionen aufgebürdet werden, die maßgeblich an der Energiewende und/ oder dem Stromnetzausbau beteiligt sind. Andere Regionen ziehen daraus den überwiegenden Nutzen, während ihnen diese Kosten erspart bleiben.
Die Absender sprechen deshalb von „einem Verursacherprinzip im negativsten Sinne“ und bitten die Kanzlerin eine politische Lösung für die Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage für die Vereinheitlichung der Übertragungsnetzentgelte in dieser Legislaturperiode herbeizuführen. Außerdem verweisen sie in ihrem Schreiben auf wesentliche Gründe, weshalb der Verzicht auf Regelungen für ein bundesweit einheitliches Übertragungsnetzentgelt nicht sachgerecht ist.
Während beispielsweise die Kosten für Offshore-Windkraft-Anbindungen oder Onshore-Erdkabel bereits heute schon bundesweit gewälzt werden, erfolgt diese gerechtere Verteilung bei den Kosten für das Engpassmanagement nicht – obwohl gerade diese Maßnahmen für die Stabilität des gesamten deutschen Stromnetzes erforderlich sind.
Trotz ungleicher Netzentgelte: Der Kunde hat die freie Wahl!
So zahlen z. B. in Sachsen die in der Niederspannungsebene (Normalstrom für Haushalte) angeschlossenen Endverbraucher in der Regelzone von 50Hertz im Durchschnitt 4 Cent je Kilowattstunde mehr als in den drei anderen Regelzonen. Dies entspricht einem Aufschlag von 63 Prozent. Für eine Durchschnittsfamilie (3500 KWh Jahresverbrauch) bedeutet das Mehrkosten in Höhe von 140 Euro im Jahr. Auch für die Unternehmen bedeuten die höheren Netzentgelte einen großen Standort- und Wettbewerbsnachteil.
Schleswig-Holstein hat daher Anfang Februar gemeinsam mit Thüringen eine erneute Änderung des Energiewirtschaftsgesetztes in den Bundesrat eingebracht, um eine faire, bundesweite Verteilung der Netzentgelte zu erreichen. Der Gesetzentwurf sieht eine Verordnungsermächtigung vor, über die künftig eine einheitliche Höhe der Übertragungsnetzentgelte in Deutschland in einer separat zu erlassenden Rechtsverordnung ermöglicht werden kann. Der Gesetzentwurf soll in der kommenden Sitzung des Bundesrates am 10. Februar beraten werden.