Unter dem Vorsitz von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner stimmte der Agrar- und Fischereirat am 21.10.2020 einem Kompromiss zur Allgemeinen Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU zu. Nach den EU-Staaten einigte sich am Freitag auch das Europaparlament auf eine Position zu der umstrittenen Reform.
Künftig soll laut Kompromiss ein Teil der Direktzahlungen an Landwirte für die Erfüllung von zusätzlichen Umweltvorgaben („Öko-Regelungen“) reserviert werden. Landwirte, die solche zusätzlichen Öko-Regelungen erfüllen, sollen künftig zusätzliche Mittel aus der ersten Säule der EU-Agrarpolitik erhalten. Dazu gehört, dass 20 Prozent der Direktzahlungen in verpflichtende Öko-Regelungen (Eco Schemes) fließen.
Bundesministerin Julia Klöckner wertete die Einigung als „Systemwechsel", da es gelungen sei, verbindliche Klima- und Umweltziele zu implementieren. Konkrete Bewirtschaftungsauflagen für die Direktzahlungen (zum Beispiel der Erhalt von Feuchtgebieten) sollen sicherstellen, dass nur Zahlungen für konkrete Gegenleistungen erfolgen.
Die Agrarministerinnen und Minister aus Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben Bundesministerin Julia Klöckner Unterstützung bei den nunmehr anstehenden Trilog-Verhandlungen zur Zukunft der Agrarpolitik zugesagt und für ihr großes Engagement im Rat gedankt, die Positionen von 27 Mitgliedsstaaten zu einen. Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast lobte: „Julia Klöckner ist im Rat eine Lösung gelungen, die ökologischer ist und gleichzeitig Landwirten eine wirtschaftliche Perspektive bietet. Wir haben nun die Chance, durch die nationalen Strategiepläne passgenaue Lösungen für unsere Landwirte zu finden, die deutlich über das jetzige Umweltniveau der Gemeinsamen Agrarpolitik hinausgehen. Da wird sich Niedersachsen einbringen."
Der BUND kritisierte hingegen die Beschlüsse des EU-Agrarrates und die ersten Abstimmungen im Europaparlament insbesondere die viel zu geringen Grundanforderungen sowie die zweijährige Übergangsphase und das mit zwanzig Prozent viel zu geringe Mindestbudget der Öko-Regelungen, den sogenannten ‚Eco-Schemes‘.
Auch die Forderung des Europäischen Parlaments, dreißig Prozent des Geldes für die Eco-Schemes einzusetzen, reicht nicht aus. Stattdessen braucht es ein anwachsendes Budget, um damit schrittweise den Einstieg in den Ausstieg aus der pauschalen Flächenprämie bis zum Ende der nächsten Förderperiode zu erreichen, so Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND.
Auch in den sozialen Netzwerken regte sich Kritik: Unter den Hashtags #GAPReform #VoteThisCAPdown #CAPreform finden sich zahlreiche Kommentare, die kritisieren, dass die Agrarreform nicht mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar ist. „Das EU-Parlament stimmt mit 425 Ja-Stimmen und 212 Nein-Stimmen für die EU-Agrarreform. Eine bittere Niederlage für den #Klima- und den #Artenschutz in Europa!“, twitterte Sven Giegold (@sven_giegold), Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament.
Kritik übte auch der BDEW: Dass nur 20 Prozent der Mittel aus der ersten Förder-Säule für Öko-Regelungen vorgesehen sind und diese neue Regelung zunächst auch nur für zwei Jahre gelten soll, reicht für das Umsteuern Richtung umweltfreundliche Landwirtschaft nicht aus. Die Ökoregelungen müssen zukünftig ein fester Bestandteil der GAP-Reform im Hinblick auf Gewässerschutz werden. Die Mitgliedstaaten sollten mindestens 30 Prozent für die Öko-Regelungen aufwenden. Diese sollten für den Systemwechsel mindestens für 10 Jahre eingeführt werden, forderte der BDEW in einer Stellungnahme.
"390 Milliarden Euro Agrarsubventionen sollen weiterhin weitgehend bedingungslos verteilt werden, statt damit gezielt Umwelt- und Klimaschutz in der Landwirtschaft zu fördern. Das Budget für die Öko-Regelungen ist mit 20 Prozent niedriger als vom EU-Parlament beschlossen und greift erst mit zwei Jahren Verzögerung. Wie diese Regeln umgesetzt werden und ob sie überhaupt wirken, ist fraglich. Setzt sich der Rat bei der Reform der EU-Agrarpolitik durch, drohen sieben verlorene Jahre, die wir dringend bräuchten, um den dramatischen Verlust der Artenvielfalt auf dem Land zu stoppen und eine zukunftsfähige bäuerliche Landwirtschaft aufzubauen", kommentiert Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Lasse van Aken.
Aber nicht nur die Höhe der Eco Schemes stehen in der Kritik, auch deren Verteilungssystematik. Denn die Direktzahlungen in die verpflichtenden Öko-Regelungen werden laut Spiegel nicht „von Bedürftigkeit oder Umweltfreundlichkeit vergeben werden – sondern nur nach der Fläche des Hofs. Dadurch profitieren vor allem Großbetriebe.“
Hintergrund: Im Sommer 2018 stellte die EU-Kommission ihre Verordnungsentwürfe für die nächste Förderperiode der EU-Agrarpolitik vor. Seitdem werden diese im Europäischen Parlament sowie im EU-Agrarrat von den EU-Mitgliedstaaten diskutiert.
Nach der jetzt erfolgten Abstimmung (Positionierung) des Europäischen Parlaments werden diese dann im sogenannten Trilog-Verfahren mit den Positionen der EU-Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission verhandelt. Mit einem Ende des Trilogs wird im zweiten Quartal 2021 gerechnet.
Das EU-Agrarbudget umfasst rund 387 Mrd. Euro. Das sind fast 40 Prozent des gesamten EU-Budgets. Deutschland soll rund eine Milliarde Euro für die Eco Schemes erhalten.