Gas statt Wärmepumpe: Reiche will Verbot von Uralt-Heizungen aufheben
Als das Heizungsgesetz (§71 GEG) im September 2023 verabschiedet wurde, hatten die Ampel-Parteien einige Monate harter Auseinandersetzungen hinter sich. Der Plan, rasch von Gas und Öl auf erneuerbare Energien umzusteigen, hatte einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.
Dieser Streit ums Heizungsgesetz führte zu einer Vielzahl von Anpassungen, die das Gesetz teilweise deutlich verwässerten und eine Vielzahl von Ausnahmen und weitreichenden Fristverlängerungen beinhalteten.
Regulatorisches Thema | Entwürfe vom 7. März & 3. April 2023 | Finales GEG-Gesetz (verabschiedet am 8. September 2023) |
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Pflicht zum Heizungstausch | Ab 2024: Neue Heizungen müssen zu 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden. | Stufenweise Einführung ab 2024, abhängig von kommunalen Wärmeplänen. |
Übergangsfristen | Begrenzte Übergangsfristen für bestimmte Gebäudearten. | Längere Übergangsfristen, insbesondere für Bestandsgebäude. |
Fördermaßnahmen | Begrenzte Informationen zu Förderungen. | Erweiterte Förderprogramme zur finanziellen Unterstützung beim Heizungstausch. |
Ausnahmen | Wenige Ausnahmen vorgesehen. | Mehr Ausnahmen, z. B. für ältere Gebäude oder Eigentümer mit bestimmten Voraussetzungen. |
Kommunale Wärmeplanung | Keine direkte Verknüpfung mit kommunaler Wärmeplanung. | Verpflichtung zur kommunalen Wärmeplanung als Grundlage für Heizungsvorgaben. |
In der öffentlichen Wahrnehmung führte der medial ausgetragene Ampelstreit und die häufig populistisch wirkende Oppositionskritik zu einer Verkürzung des neuen GEG auf einen angeblichen „Wärmepumpen-Zwang“.
Kritik: Das Heizungsgesetz führe zu Enteignung und Entrechtung
In einer kurzen Studie in der Zeitschrift „Energy Research & Social Science“ untersuchen Forschende des Forschungsinstituts für Nachhaltigkeit in Potsdam, der Bauhaus-Universität Weimar und der Universität Hamburg die Strategien dahinter.
Demnach war die Rolle einzelner Medien und Parteien entscheidend: Mehrere Politiker und Medienvertreter äußerten immer wieder Kritikpunkte, dass das Gebäudeenergiegesetz eine Form der Enteignung und Entrechtung darstelle.
Demnach gefährde das Heizungsgesetz das Recht der Menschen auf freie Verfügung über ihr Immobilieneigentum. In einem Beitrag des Magazins „Focus“ war die Rede von einer „Enteignung durch die Hintertür“, die rechtsextreme AfD argumentierte in ihrer Kampagne „Heizhammer stoppen!“ ähnlich.
Der zweite Kritikpunkt unterstellte eine Art Entrechtung der Bürgerinnen und Bürger. Dieses Argument basiert auf der Annahme, dass die Menschen selbst am besten wissen, was für sie gut ist, und dass das Gesetz eine bevormundende Form der Regulierung darstellt.
So veröffentlichte die CSU in einer Social-Media-Kampagne unter dem Motto „Nein zu staatlicher Heizungsspionage“ eine Foto-Montage von Minister Habeck, der durchs Fenster in ein Wohnzimmer späht. Der thüringische CDU-Landesvorsitzende Moritz Voigt warf Habeck sogar vor, eine „Energie-Stasi“ aufbauen zu wollen.
Laut Studienautoren fällt auf, dass sich der Ton und die Narrative der CDU/CSU kaum von denen der AfD unterscheiden. Die Vorwürfe basieren auf einem libertären Freiheitsverständnis, das den Einzelnen vor staatlicher Bevormundung schützen will.
Drittens wurde vor allem von der extremen Rechten behauptet, die Grünen wollten eine ideologisch motivierte Heizungspolitik betreiben und damit den Wohlstand Deutschlands gefährden. Ein häufig geäußertes Argument war die Forderung nach technologischer Offenheit, die auch darauf abzielte, die Priorisierung von Klimaschutzansätzen zu verhindern.
„Ein gemeinsamer Nenner der Kritik ist, dass sie einer klassischen populistischen Logik folgt: Sie konstruiert eine Dichotomie zwischen dem Willen des Volkes und einer Elite, die diesen Willen aus eigennützigen oder klimapolitischen Motiven missachtet“, sagt Ko-Autorin Franziska Mey (RIFS).
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Wirtschaftsministerin Reiche stößt ins gleiche Horn
Viele hofften, dass sich der Ton nach der Bundestagswahl mäßigt. Doch Wirtschaftsministerin Katherina Reiche ließ nur wenige Wochen nach Amtsübernahme ganz ähnlich undifferenzierte und polemisch klingende Äußerungen zum GEG verlauten.
Die neue Wirtschaftsministerin sprach dabei wieder vom „Zwang zur Wärmepumpe“ und, dass sie das Betriebsverbot für uralte Gasheizungen abschaffen wolle, „um wieder Ruhe in den Markt zu bekommen“.
Was Sie damit nun genau meinte, war zunächst nicht gänzlich klar. Denn den §72 des GEG gibt es schon seit 2020 und wurde unter der letzten CDU-geführten Groko-Regierung und dem CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier eingeführt.
Folgendes Heizungsverbot besteht seit 2020:
(1) Eigentümer von Gebäuden dürfen ihre Heizkessel, die mit einem flüssigen oder gasförmigen Brennstoff beschickt werden und vor dem 1. Januar 1991 eingebaut oder aufgestellt worden sind, nicht mehr betreiben.
(2) Eigentümer von Gebäuden dürfen ihre Heizkessel, die mit einem flüssigen oder gasförmigen Brennstoff beschickt werden und ab dem 1. Januar 1991 eingebaut oder aufgestellt worden sind, nach Ablauf von 30 Jahren nach Einbau oder Aufstellung nicht mehr betreiben.
Reiche bezog sich zunächst auf das in §72 (1) genannte Betriebsverbot für Heizungen, die vor 1991 eingebaut wurden. In Fachkreisen sorgte diese Äußerung für Verwunderung, denn die Heizungen, die davon betroffen wären, sind also in der Regel längst stillgelegt, sodass eine Streichung dieser Regel in der Praxis wenig verändern würde.
Wenig später konkretisierte sie ihre Forderung und erweiterte die Aufhebung des Betriebsverbotes auch auf Öl- und Gas-Heizungen, die älter als 30 Jahre sind (§72 GEG (2).
Aber auch selbst diese Ankündigung stieß immer noch auf sehr große Verwunderung. Denn von der Pflicht zur Heizungssanierung nach §72 gibt es wiederum einige Ausnahmen:
- Nicht betroffen sind Niedertemperatur-Heizkessel und Brennwertkessel. Konstanttempeaturkessel dürfen daher nicht weiter betrieben werden, da sie aufgrund der eingeschränkten Heizungsregelung besonders ineffizient sind.
- Ausgenommen sind auch Heizungen mit einer Leistung von weniger als 4 Kilowatt oder mehr als 400 Kilowatt und • Wärmepumpen-Hybridheizungen mit Gas, Biomasse oder Öl und Solarthermie-Hybridheizungen ohne fossile Brennstoffe.
- Auch wer in einem Gebäude mit weniger als drei Wohneinheiten eine Wohnung seit 1. Februar 2002 selbst bewohnt hat, darf seine Heizung weiter betreiben. Die Austauschpflicht tritt gemäß §73 GEG dann erst bei einem Eigentümerwechsel in Kraft.
Wie viele Konstanttemperaturkessel gibt es eigentlich noch?
Diese Ausnahmen wiederum schränken den Kreis der betroffenen Heizung enorm ein. Allein, dass das Betriebsverbot nur Konstanttemperaturheizungen betrifft, lässt an Reiches Forderung stark zweifeln, dass es ihr um „eine Beruhigung des Marktes“ ginge.
Denn nach Angaben eines bekannten Heizungsherstellers werden Konstanttemperaturkessel seit Mitte der 1980er-Jahre kaum noch verbaut. Entsprechend niedrig ist die Zahl der Heizungen, die unter das Verbot fallen.
Laut Angaben des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) soll es sich um rund 16.000 Öl- und Gasheizungen handeln, die weiterbetrieben werden dürfte. Dies entspricht weniger als 0,1 Prozent der insgesamt knapp 19 Millionen in Deutschland betriebenen fossilen Heizungen.
In den sozialen Medien kursieren zudem Angaben von Verbänden, die den aktuellen Bestand an Konstanttemperaturkesseln auf unter 10.000 Heizungen schätzen.
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Verbände fordern Sicherheit und Stabilität für alle Marktakteure
Warum sich nun Ministerin Reiche für eine handvoll älterer Heizungen stark macht und wiederum die wirtschaftlichen Aussichten der Heizungsbranche trüben könnte, bleibt im Unklaren. Verbände fürchten jedoch, dass es sich lediglich um einen Aufhänger handelt, um grundsätzlich die Abkehr von der Gasheizung zu stoppen.
Wörtlich heißt es in dem Appell von 13 Fachverbänden: „Nur mit schneller Klärung, wie die ‚Abschaffung des Heizungsgesetzes‘ und die Einführung eines überarbeiteten Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zu verstehen sind, sowie mit Umsetzung einer langfristig verlässlichen Bundesförderung, [können] Sicherheit und Stabilität für alle Marktakteure gewährleistet werden.“
Die unterzeichnenden Verbände fordern vier konkrete Maßnahmen:
- Ein Bekenntnis zum Klimaschutz: „Damit die klimapolitischen Ziele im Gebäudesektor erreichbar werden, muss die Modernisierung des Heizungsbestandes auf Basis von Anforderungen an den Einsatz erneuerbarer und klimaneutraler Energien in neuen Heizungsanlagen weiter vorangetrieben werden.“
- Ein vereinfachtes und transparentes GEG mit 1:1-Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD): Die Verbände betonen: „Ein langwieriger Gesetzgebungsprozess zur Umsetzung der EPBD wie bei der letzten GEG-Novellierung ist unbedingt zu vermeiden.“
- Langfristige Förderung: „Eine langfristig verlässliche und attraktive Bundesförderung [...] schafft die erforderliche nachhaltige und wirksame Investitionssicherheit.“
- Abstimmung zwischen GEG und Wärmeplanungsgesetz (WPG): „Eine bessere Abstimmung zwischen GEG und WPG stellt sicher, dass Synergien in der Planung und Umsetzung der Wärmewende effizient genutzt werden.“
Auch Klimaziele könnten in weitere Ferne rücken
Doch nicht nur die wirtschaftlichen Belange scheinen durch eine unklare Kommunikation des Wirtschaftsministeriums vernachlässigt zu sein. Auch die Klimaziele könnten durch ein weiteres Festhalten an klimaschädlichen Gasheizungen in weitere Ferne rücken.
Denn erst vergangene Woche stellte der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung ein verheerendes Zeugnis aus: Der Prüfbericht kommt zu dem Ergebnis, dass Deutschland seine CO2-Ziele im Jahr 2024 zwar grundsätzlich erreicht hat. Mit den aktuellen Klimaschutzmaßnahmen wird Deutschland die gesetzlich vorgeschriebenen Klimaziele in den Jahren 2030, 2040 und auch das Klimaneutralitätsziel 2045 aber deutlich verfehlen.
Schaut man auf die einzelnen Sektoren, so haben aber bereits jetzt die Sektoren Gebäude und Verkehr ihre Ziele jedoch verfehlt.
Der Expertenrat erklärt eindeutig, dass das Erreichen der Klimaziele das Festhalten an ambitionierten Vorgaben für neu installierte Heizungen im Gebäudeenergiegesetz bedingt. Und dass diese Regeln durch eine ausreichende Heizungsförderung flankiert werden müssen.
Laut Prüfbericht des Expertenrats trage das GEG inklusive 65 %-Regel mit einer kumulierten THG-Minderung von 37,6 Mt CO2-Äq. bis zum Jahr 2030 den größten Anteil zur Emissionsminderungswirkung im Gebäudesektor bei.