Nord Stream 1 Lieferstopp: Worst Case-Szenario der Bundesnetzagentur eingetreten
Nord Stream 1 wegen Öllecks erneut komplett gestoppt
Die Gaslieferungen durch die Nord Stream 1 wurden von russischer Seite unter Verweis auf angebliche Wartungen an der Kompressorstation Portowaja bei St. Petersburg bereits am 31. August bis 2. September eingestellt. Jetzt meldet Gazprom ein Ölleck und hat die Gaslieferungen vollständig gestoppt. Dieser Lieferstopp kommt überraschend, da Gaslieferungen bereits vorgemerkt wurden, die in der Nacht starten sollten.
Das Ölleck sei bei den aktuellen Wartungsarbeiten an einer Gasturbine der Kompressorstation Portowaja entdeckt worden, sodass diese nicht mehr sicher betrieben werden kann und stillgelegt werden muss. Bis zur Reparatur des Schadens bliebe der Gasdurchfluss gestoppt, so Gazprom. Der von russischer Seite behauptete erneute Wartungsbedarf sei für die Bundesnetzagentur technisch nicht nachvollziehbar.

Zu den aktuellen Meldungen von Gazprom zu Nord Stream 1 erklärt eine Sprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz: "Wir haben die jüngsten Meldungen von Gazprom zur Kenntnis genommen. Wir kommentieren diese in der Sache nicht, aber die Unzuverlässigkeit Russlands haben wir in den vergangenen Wochen bereits gesehen und entsprechend haben wir unsere Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit von russischen Energieimporten unbeirrt und konsequent fortgesetzt."
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Worst Case Szenario: Im schlimmsten Fall droht im Winter ein Gasmangel
Die jetzige Entwicklung der Gaslieferungen hat die Bundesnetzagentur in ihren Gas-Szenarien von 07/22 bis 06/23 (Stand 03.08.2022) erfasst. Eingetreten ist bislang das Szenario 2: "Nord Stream 1 liefert zunächst 40%, wird jedoch ab dem 27.07. auf 20 % Leistung gedrosselt". Jetzt könnte das Szenario 1 Realität werden: "Nord Stream 1 liefert nicht mehr".
5 der 8 Varianten dieses Szenarios 1 prognostizieren, dass die deutschen Gasspeicher bis Ende Januar geleert sind. Da dieses Szenario allerdings auf der Annahme beruht, dass bereits ab dem 27.07. kein Gas mehr über Nord Stream 1 geliefert wird, dürfte sich dieses Worst Case-Szenario auch „nach hinten verschieben“. Zudem ist noch völlig unklar, wie lange der jetzige Lieferstopp andauern wird.

Wahrscheinlicher ist es daher, dass nach der Reparatur der Nord Stream 1-Kompressorstation wieder Gas mit 20% der eigentlichen Pipeline-Leistung geliefert wird. Im Szenario 2 der Bundesnetzagentur prognostizieren 5 der 7 untersuchten Varianten ausreichende Gasspeicher-Füllstände bis Ende März – also gut 1 Monat vor dem offiziellen Ende der Heizperiode am 30. April.
Kompensieren will Gazprom die ausbleibenden Lieferungen aus der Nord Stream 1-Pipeline – übereinstimmenden Medienberichten zufolge – indem der Konzern mehr Gas über die Ukraine liefern will. Hierbei soll es sich jedoch lediglich um eine zusätzliche Menge von 1,4 Millionen Kubikmetern handeln.
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Verbraucher müssen mit weiter steigenden Gaspreisen rechnen
Der erneute Stopp der russischen Gaslieferungen zeigt erneut, dass sich die Verbraucher:innen nicht auf billiges Importgas verlassen können. Bereits jetzt müssen sie exorbitant hohe Gasrechnungen zahlen. Obwohl die Großhandelspreise zuletzt gesunken sind, bewegen sie sich weiterhin auf sehr hohem Niveau. Die Bundesnetzagentur warnt daher, dass sich Unternehmen und private Verbraucher auf deutlich steigende Gaspreise einstellen müssen.
Die Spitze der zu erwartenden Preisentwicklung sei noch nicht erreicht. Denn während an der Börse kurzfristige Lieferungen gehandelt werden, werden langfristige Lieferungen eher über individuelle Verträge bestimmt. Steigen die Einkaufspreise an der Börse, dann steigen erst zeitversetzt die langfristigen Kontrakte und erst dann die Konditionen für Endverbraucher.
Die Preiswirkung der aktuellen russischen Gaspolitik könnte Verbraucher daher erst im nächsten Jahr mit noch größerer Wucht treffen: "Beispiel Familie zur Miete in Berliner Altbau mit Gaszentralheizung. Heizkosten-Abschlag dieses Jahr ca. 100 € mntl., festgelegt noch letztes Jahr. Versorger erhöht Preise, Mieter bekommen davon nichts mit. Nachzahlung 1000 bis 4000 Euro realistisch. Kommt dann zu Weihnachten 2023", warnt Lion Hirth, Energieökonom und Juniorprofessor für Energiepolitik an der Hertie School in Berlin, auf Twitter.