Neubau günstiger als Altbausanierung
Wer auf St. Pauli unterwegs ist, der schenkt meistens weniger der baulichen Stadtteilentwicklung als den nächtlichen Attraktionen Beachtung. Dabei gibt es auch aus stadtplanerischer und architektonischer Sicht in den vielen Seitenstraßen abseits der Reeperbahn eine Menge zu entdecken. Eine aus energetischer Sicht auffällige Immobilie schmückt seit 2005 das Straßenbild in der Paul-Roosen-Straße an der Ecke zur Bleicherstraße: Das Passivhaus St. Pauli entstand in einer Baulücke als Ersatz für eine typische Bebauung mit Vorderhaus und Hofbebauung, die ursprünglich erhalten bleiben sollte. Allerdings erwies sich die Substanz als zu schlecht, sodass ein Neubau günstiger war als die Altbausanierung.
Passive Solarwärmenutzung über Glasfassaden
Das Passivhaus St. Pauli war das erste geförderte Passivhaus in Hamburg und gewann beim Passivhauswettbewerb der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt den 1. Preis. Direkt an der ehemaligen Stadtgrenze von St. Pauli und Altona gelegen fällt das Passivhaus von weitem durch die verglaste Front auf, hinter der sich das Treppenhaus anschließt und energetisch als Pufferzone gilt. Die übrigen Teile der Nordfassade sind aus energetischen Gründen weitgehend geschlossen und die Fenster auf das baurechtlich notwendige Öffnungsmaß reduziert. Nach Süden hin öffnet sich das Passivhaus wieder über Glasfassaden mit angeschlossenen Balkonanlagen. So wird eine größtmögliche passive Solarwärmenutzung realisiert, die eines der energetischen Kennzeichen eines Passivhauses darstellt.
Baulückenkonzept minimiert Heizwärmebedarf
Die Nord-Süd-Ausrichtung des Gebäudes ist eine optimale Voraussetzung für das Passivhaus St. Pauli. Zudem bot die Baulücke eine besondere Voraussetzung für die Errichtung eines Passivhauses, obwohl der durch die Wände zu den beheizten Nachbargebäuden reduzierte Heizwärmebedarf nicht in die Energiebilanz des Passivhauses miteinbezogen wurde. Die Dämmung der Trennwände zu den angrenzenden Nachbarhäusern wurde dabei mit einer 6 cm dicken mineralischen Dämmung versehen. Das Passivhaus St. Pauli besitzt so einen errechneten Heizwärmebedarf von 8,0 KWh/m2a und unterschreitet damit deutlich den Mindestwert für ein Passivhaus von 15 KWh/m2a. Dieser extrem niedrige Heizwärmebedarf ist dabei vornehmlich auf die geschützte Lage der Baulücke zurückzuführen.
Semizentrale Lüftung vereint Energieeffizienz und Komfort
Das Passivhaus St. Pauli wird über eine semizentrale Lüftung versorgt. Die zentralen Komponenten (Wärmetauscher, Ventilatoren, Außenluftfilter) befinden sich im knapp 20m2 großen Technikraum im Keller außerhalb der thermischen Hülle des Gebäudes und die dezentralen Komponenten (Volumenstromregler, Nachheizung, Schalldämpfer und Abluftfilter) in den Wohneinheiten. Die Zuluft erfolgt über ein Standrohr an der Südseite des Gebäudes. Die Abluft wird dann in die Tiefgarage geblasen. Die dezentrale Platzierung der Luftmengenregelung und Nachheizung hat den Vorteil, dass die Bewohner individuell je nach Nutzung die Belüftung regeln können. Aus energetischer Sicht ist die kontrollierte Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung ein zentraler Baustein eines Passivhauskonzepts.
Erfolgsfaktoren des Passivhausstandards
Seit vielen Jahren geht der Trend zu einem hohen Energieeffizienzstandard im Neubau. Eine bessere Wärmedämmung spart dabei nicht nur Energie und Heizkosten, sondern reduziert auch das Risiko für Bauschäden und erhöht die Wohnbehaglichkeit. Das allein vermag aber nicht den Erfolg des Passivhauskonzepts zu erklären. Während sich im normalen Neubau der Heizwärmebedarf über viele Jahre hinweg nur langsam reduzierte, bietet das Passivhaus für Bauherren den Charme, zukünftige Entwicklungen vorwegzunehmen und in einem Schritt einen Neubau zu errichten, der rund 75% weniger Heizwärme bedarf als der Stand der Technik. Und dies ist aktuell nicht mehr nur für bestimmte Gebäude möglich, sondern auch im Wohnungsbau oder bei Verwaltungsgebäuden, im Massivbau, im Holzbau, in Gebäuden mit Betonfertigteilen und vielen weiteren Bauweisen. Und das rechnet sich. Auf den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes betrachtet, sind die Mehrkosten beim Bau nach wenigen Jahren wieder durch die Heizkostenersparnis eingespielt.