Letzte Aktualisierung: 23.08.2022

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Revolution an der Strombörse: Hat das Merit-Order-Prinzip ausgedient?

Am 22. August 2022 brach der Strompreis einen neuen Rekord: An der Leipziger EEX-Börse betrug der Wert einer Megawattstunde im tagesaktuellen Handel 700 Euro. Ein Jahr zuvor lag der Wert noch bei rund 23 Euro – eine astronomische Steigerung! Als besonders einflussreicher Verursacher erweist sich der Preisbildungsmechanismus, welcher auf dem Merit-Order-Prinzip beruht. Nach dieser Logik definiert stets der teuerste Erzeuger – gegenwärtig die Gaskraftwerke – den Preis für alle anderen Anbieter am Day-Ahead Markt. Doch das Modell zur Preisfindung beleuchtet längst nicht alle relevanten Facetten und treibt zudem die Energiekosten für Verbraucher:innen in die Höhe. So drängt sich zunehmend die Frage auf, ob wir an Merit-Order wirklich festhalten sollten.

Das Bild zeigt einen Mitarbeiter der EEX

Die European Energy Exchange (EEX) in Leipzig ermittelt die Strompreise für den jeweils nächsten Tag (Foto: EEX)

An der European Energy Exchange (EEX) in Leipzig werden die Strompreise für den jeweils nächsten Tag (Day Ahead-Markt) ermittelt. Bei den täglich stattfindenden Auktionen bieten die Energieerzeuger ihre Kraftwerke zu ihren jeweiligen Grenzkosten an. Letztere umfassen die variablen Kosten, wie für Brennstoff oder Kohlendioxid.

Auf der anderen Seite stehen die Energielieferanten, die ihrerseits Order stellen, um den Strombedarf für den Folgetag decken zu können.

Die EEX-Börse ordnet die Angebote der Kraftwerksbetreiber in einem Pay-as-Clear-Modell in aufsteigender sowie die Nachfrage in absteigender Reihenfolge (Merit-Order-Kurve) an. Dabei wird jenes Kraftwerk identifiziert, das gerade noch zur Deckung des Energiebedarfs am Folgetag benötigt wird.

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Das Merit-Order-Prinzip: Seit über 20 Jahren preisbestimmend

Das Marktmodell Merit-Order, resultierend aus dem sogenannten Pay-as-Clear-Verfahren, findet seit der Liberalisierung des Strommarkts kontinuierlich Anwendung. Es gewährleistet, dass genau die Menge Strom verfügbar ist, die zur Deckung des Bedarfs benötigt wird.

Die Käufer, u.a. Stromhändler, Stadtwerke und Industrie, können nach jahrelanger Erfahrung gut abschätzen, wie viel Energie am Folgetag zur Verfügung stehen muss und holen passende Angebote ein. Den Zuschlag bekommt im ersten Schritt der günstigste Anbieter, die priorisierten Hersteller von Erneuerbaren Energien. Diese stellen zunächst einen Preis von 0 Cent ein. Es folgen die Angebote von Atomkraft, Kohle und Gas.

Der Market-Clearing-Price (MCP) bzw. Markträumungspreis ist das letzte Angebot, welches an der Leipziger Strombörse einen Zuschlag erhält. Das Kraftwerk mit den höchsten Grenzkosten – auch Grenzkraftwerk genannt – definiert den Börsenpreis für alle eingesetzten Kraftwerke. Somit bekommen alle Kraftwerke den gleichen Preis für ihre Einspeisung ausgezahlt, auch wenn sie zu Beginn unterschiedliche Preise geboten haben. Dieser Mechanismus wird in der Energiewirtschaft als „uniform pricing“ bezeichnet.

Ein zu teures Kraftwerk erhält keine Erlöse; ein Kraftwerk, das günstiger als zum Marktpreis Strom erzeugen kann, wird eingesetzt und erhält den Marktpreis. Dank dieser Erzeugermarge (Deckungsbeitrag), also der Differenz zwischen Erzeugungskosten und Marktpreis, werden die Fixkosten des Stromproduzenten abgedeckt.

Das folgende Beispiel zeigt auf, wie sich das Merit-Order-Prinzip auf die Strompreise niederschlägt:

  • Ein Solarpark produziert Strom für 50 Euro/MWh
  • Ein Atomkraftwerk produziert Strom für 100 Euro/MWh
  • Ein Kohlekraftwerk produziert Strom für 150 Euro/MWh
  • Ein Gaskraftwerk produziert Strom für 200 Euro/MWh

Mit dem Gaskraftwerk ist die Nachfrage in diesem Beispiel gedeckt. Der Preis für die Megawattstunde Strom beläuft sich gemäß Merit-Order-Prinzip auf 200 Euro. Damit verdient der Solarpark 150 Euro pro Megawattstunde, das Atomkraftwerk 100 Euro pro Megawattstunde und das Kohlekraftwerk noch 50 Euro pro Megawattstunde. Die deutsche Regierung greift derzeit nicht in diesen Preisbildungsmechanismus ein, weshalb die Betreiber von Erneuerbaren Energien, Atomkraftwerken und Kohlekraftwerken teils gigantische Gewinne einfahren.

Tatsächlich hat das Konzept Merit-Order über 20 Jahre problemlos funktioniert. Doch mit dem Einmarsch von Putins Truppen in die Ukraine und den damit einhergehenden, drastisch steigenden Stromkosten, hat die Diskussion um ein optimiertes System der Preisfindung Fahrt aufgenommen.

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Warum sich die Modifizierung der Preisbildung lohnt

Im Prinzip ist Merit-Order ein statisches Beschreibungsmodell, das sich für die Darstellung der kurzfristigen Strompreisbildung eignet. Um aber langfristige Entwicklungen von Strompreisen kalkulieren zu können, müsste das Modell ebenso langfristige Effekte berücksichtigen.

Auch von Seiten der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) heißt es, dass es sich beim Merit-Order-Effekt um kurzfristige Preisveränderungen handele. Bei einer künftig verstärkten Nutzung der Erneuerbaren Energien passt sich auch der Kraftwerkspark an, wodurch sich schließlich eine neue Merit-Order ergibt.

Darüber hinaus betonen die Wissenschaftler:innen, dass der Merit-Order-Effekt nicht unverzüglich die Stromgestehungskosten reduziere, da die hohen Investitionskosten für Stromerzeugungsanlagen aus regenerativen Energien hierbei nicht berücksichtigt werden.

Ebenfalls nicht korrekt abgebildet werden die enorm hohen Investitions- und Rückbaukosten von Atomkraftwerken sowie die tatsächlichen Gesamtkosten der Erneuerbaren Energien.

Das auf dem Pay-as-Clear-Verfahren basierende Merit-Order-Modell setzt zudem die Vermarktung der gesamten Strommenge über die Leipziger Börse voraus – was allerdings nicht immer der Fall ist. Manche Produzenten verbrauchen ihren Strom selbst.

Weiterhin kann es durch technische Restriktionen, Eigenverbrauchsoptimierungen, Verfeuerung von Abfall oder Reststoffen, Deckung von Fernwärmebedarfen oder auch regulatorischen Anreizen zu Kraftwerkseinsätzen kommen, die sich nicht allein durch den Grenzkostenansatz des Merit-Order-Prinzips beschreiben lassen.

Und nicht zu vergessen: Das letzte und zugleich teuerste Kraftwerk ist maßgebend für die Strompreisbildung. Da dies aktuell die Gaskraftwerke sind, führen hohe Gaspreise unvermeidlich zu einer Strompreiserhöhung, die die Verbraucher:innen ausbaden müssen.

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Von Pay-as-Clear zu Pay-as-Bid

Die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden ACER untersuchte, im Auftrag der EU, die Vor- und Nachteile der derzeitigen Strommarktgestaltung.

Das etablierte Pay-as-Clear-Modell verschafft den Erneuerbaren Erzeugungsanlagen einen Einspeisevorrang und damit einhergehend einen Zuschlag bei der Auktion – selbst dann, wenn sie über Fördersysteme vergütet werden. Dies führt unweigerlich dazu, dass teurere Kraftwerke (Atom, Kohle und Gas) nach dem Merit-Order-Prinzip verdrängt werden und nicht selten gar keinen Zuschlag erhalten.

Doch gegenwärtig sind die Erneuerbaren Energien nur selten in der Lage, die Nachfrage vollständig zu decken. Eine Lösung hierfür bilden flexible und stetig verfügbare Anlagen, wie Speicher oder thermische Kraftwerke.

ACER beschreibt das sogenannte Pay-as-Bid (Gebotspreismodell) als mögliche Alternative. Das Prinzip beruht darauf, den bezuschlagten Kraftwerksanbietern ihre explizit gebotenen Preise auch zu vergüten. Der Marktpreis würde sich in diesem Fall durch die Mitteilung aller bezuschlagten Gebote ergeben.

Ist das Pay-as-Bid-Verfahren die bessere Alternative?

Eine Umstellung auf ein Pay-as-Bid-Prinzip würde eine unmittelbare Veränderung des Bieterverhaltens der Marktakteure mit sich bringen. Denn die Energieproduzenten bieten im Rahmen dieses Gebotspreismodells einen höheren Preis als ihre Grenzkosten an, da sie ihren benötigten Deckungsbeitrag (inkl. Risikoaufschlag) in die Gebotshöhe mit einrechnen müssen – denn diesen wollen sie bei der Zuschlagserteilung in jedem Fall erhalten.

Das Pay-as-Bid-Verfahren birgt jedoch höhere Risiken für alle Marktteilnehmer; die Marktunsicherheiten wären spürbar.

Hinsichtlich der Dekarbonisierungsvorhaben im Stromsektor wäre das Pay-as-Bid-Verfahren eher nachteilig. Pay-as-Clear dagegen gewährt den Erzeugern von regenerativem Strom höhere Deckungsbeiträge und ist damit für den Ausgleich von Investitionskosten aussichtsreicher. Attraktiv wäre Pay-as-Bid erst bei höheren Fördervolumina, um den Ausbau von Photovoltaik, Windkraft und Co. nicht ins Stocken zu bringen.

Weitere Erschwernisse eines Strommarktdesigns nach Pay-as-Bid wären die Verzerrung der Marktpreise und die Reduktion der Deckungsbeiträge bei Spitzenlastkraftwerken (z.B. Gaskraftwerke) und Speicherkraftwerken.

Darüber hinaus würden wegfallende Investitionsanreize die Versorgungssicherheit gefährden. Auch wenn dem anhand eines Kapazitätsmechanismus entgegengewirkt werden könnte, müssten sich Verbraucher:innen auf höhere Stromrechnungen gefasst machen.

ACER weist abschließend darauf hin, dass Auktionierungsverfahren ein zentraler Bestandteil des Strommarktdesigns sind. Das Pay-as-Clear-Verfahren mit Merit-Order-Effekt erweist sich als geeigneter für liquide Märkte, wie dem europäischen Stromgroßhandelsmarkt – ein überstürztes Einführen von Pay-as-Bid könnte den Markt schwächen, weshalb eine umsichtige Abschätzung unerlässlich ist.

Der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Dr. Patrick Graichen, teilt auf Anfrage von Maria-Lena Weiss (MdB) mit, dass sein Ministerium die Vorschläge zu alternativen Modellen auf Kostenwirkungen sowie Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit und den Gasverbrauch der Elektrizitätsversorgung prüfe. Solange die Untersuchungen laufen, sorgt das Merit-Order-Prinzip laut Graichen jedoch für einen „effizienten Einsatz des Kraftwerkparks“.

Die EU-Komission bleibt ebenfalls nicht von Fragen verschont: Lukas Mandl (MEP) äußert sich besorgt über eine weitere Erhöhung der Inflation durch den Zusammenhang von Strom- und Gaspreisen. "Welche Alternativen zum Merit-Order-Prinzip werden von der Kommission als zielführend angesehen, um den Strompreis an die tatsächlichen Stromerzeugungskosten zu koppeln?", so der Wortlaut in seiner parlamentarischen Anfrage. Wie viele andere erwartet auch Mandl konkrete Maßnahmen, um den unverhältnismäßig hohen Strompreisen entgegenzuwirken.

Häufige Fragen (FAQ) zum Merit-Order-Prinzip

Was ist die Merit-Order?

Merit-Order ist die Einsatzreihenfolge von Kraftwerken nach deren (kurzfristigen) Grenzkosten. Beginnend mit den niedrigsten Grenzkosten werden solange Kraftwerke mit höheren Grenzkosten zugeschaltet, bis die Nachfrage gedeckt ist.

Was versteht man unter dem "Merit-Order-Effekt"?

Unter dem "Merit-Order-Effekt" versteht man die Verdrängung teurer Kraftwerke und der dadurch einsetzende, positive Preiseffekt. Der Merit-Order Effekt basiert dabei auf einer Verschiebung der residualen Nachfragekurve nach Strom auf dem Großhandelsmarkt. Da Strom aus erneuerbaren Energien sehr niedrige Grenzkosten aufweist, reduziert die Einspeisung dieser Strommengen die Nachfrage nach konventionellem Strom. Diese reduzierte residuale Nachfrage senkt unter der Annahme einer gleichbleibenden Angebotskurve des konventionellen Kraftwerksparks den Strompreis auf dem Großhandelsmarkt. Der Market-Clearing-Price wird dann durch die nächstgünstigeren Kraftwerke bestimmt. Die tatsächliche Ausgestaltung des Effektes hängt jedoch u.a. zentral von der Wettbewerbssituation auf den Endkundenmärkten für Strom ab.

Seit wann gibt es die Merit-Order?

Bis zur Liberalisierung des Strommarktes 1998 war dieser in Deutschland strikt reguliert. Regionale Unternehmen erzeugten und verteilten den Strom, den die Stadtwerke dann den Kunden in Rechnung stellten. Seitdem gibt es Erzeuger, Händler, Netzbetreiber, Großkunden und Privatkunden und Strom wird über spezialisierte Broker oder an der Strombörse gehandelt. An der Börse wird dann kurzfristig der Strom zugekauft, der nicht von langfristigen Verträgen mit Brokern abgedeckt wird („Day-Ahead-Markt“). In diesem Markt bestimmt der teuerste Anbieter, der gerade noch berücksichtigt wird, den Börsenpreis (Markträumungspreis / "Market-Clearing Price"). Dieses Verfahren ist als Merit-Order-Prinzip bekannt.

Wieso steigt der Strompreis mit dem Gaspreis?

Das Merit-Order-Prinzip hat so lange gut funktioniert, wie es ein Überangebot an Strom gab. Spitzenlastkraftwerke kamen dann nur selten zum Einsatz. Durch das verknappte Gasangebot und Kapazitätsengpässe z. B. bei französischen Atomkraftwerken durch Wartungsengpässe und niedrige Pegelstände ist der Strombedarf stark gestiegen und das Angebot stark gesunken. Das führt dazu, dass teure Spitzenlast-Gaskraftwerke benötigt wurden, um die Nachfrage auf dem Spotmarkt befriedigen zu können. So bestimmten diese den Strompreis und ließ den Börsenpreis im Day-Ahead-Markt nahezu parallel zum Gaspreis ansteigen.

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