Rezession durch Energiekrise: "Niemand muss hungern und frieren"
Gaspreise werden sich den Großhandelspreisen annähern
Die deutsche Wirtschaft steht vor einer Rezession. Grund ist der enorme Anstieg der Preise für fossile Energieträger. Der Großhandelspreis für Erdgas ist in Europa zurzeit etwa fünfmal so hoch wie vor einem Jahr. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) erwartet, dass sich die Preise, die deutsche Importeure und private Haushalte zahlen, mit der Erneuerung alter Lieferverträge in den kommenden Monaten den Großhandelspreisen annähern.
Das Gros der Belastung wird aber als Heiz- und Stromkostenerhöhung bei den privaten Haushalten anfallen, auch wenn die Politik versucht, besonders schwer getroffene Bevölkerungsgruppen finanziell zu unterstützen. „Die privaten Haushalte werden gezwungen sein, ihre sonstigen Konsumausgaben zu verringern, was einen Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Produktion zur Folge haben wird“, so Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH.
Inflationsrate wird weiter ansteigen
Als größtes Risiko für die deutsche Konjunktur schätzt das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung daher auch die Verfügbarkeit von Gas während des kommenden Winters. Der kräftige Anstieg der Gaspreise und seine Auswirkungen durch die Produktionsketten werden die Inflationsraten wohl bis zum Ende des Jahres weiter anziehen lassen, so das RWI.
RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt fügt hinzu: „Bei einem vollständigen Stopp der Gaslieferungen aus Russland kommt es darauf an, dass Unternehmen und insbesondere auch die privaten Haushalte ihren Gasverbrauch deutlich reduzieren. Gelingt das nicht, würde eine spürbare Rationierung von Gas zu weiteren deutlichen Einschränkungen der wirtschaftlichen Produktion führen.“
Erst mit dem Ende der Heizperiode dürfte der Rückgang der Nachfrage dann für eine gewisse Entlastung sorgen und die sich abschwächende Konjunktur den Preisauftrieb dämpfen, so das RWI.
Teure Energieimporte: Mehr Einkommen fließt ins Ausland
Deutlich pessimistischer schätzt das IfW Kiel die wirtschaftliche Lage in seiner Herbstprognose ein: „Mit den hohen Importpreisen für Energie rollt eine konjunkturelle Lawine auf Deutschland zu. Vor allem energieintensive Produktionen und konsumnahe Wirtschaftsbereiche werden mit Wucht getroffen“, kommentierte Stefan Kooths, Vizepräsident und Konjunkturchef des IfW Kiel, die neuen Prognosen.

Durch die kostenintensiven Energieimporte sinkt Deutschlands Wirtschaftskraft erheblich und schmälert die Kaufkraft der privaten Haushalte: "Die teuren Energieimporte bedeuten, dass Deutschland nun einen weitaus größeren Teil seines erwirtschafteten Einkommens ins Ausland überweisen muss als bislang. Deutschland wird dadurch insgesamt ärmer. Mit seinen Entlastungspaketen kann der Staat die Lasten daher nur umverteilen, aus der Welt schaffen kann er sie nicht", so Kooths.
Ifo rechnet mit 11% Inflation und -0,3% Wirtschaftseinbruch
Auch das ifo Institut hat seine Prognose für das deutsche Wirtschaftswachstum drastisch gekappt. "Wir gehen in eine Winter-Rezession", sagt Timo Wollmershäuser, der Leiter der ifo Konjunktur-Prognosen. Im kommenden Jahr erwartet das Institut nun ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent, für dieses Jahr nur noch 1,6 Prozent Wachstum.
Jahr | BIP-Veränderung ggü. Vorjahr |
---|---|
2021 | 2,6 % |
2022 | 1,6 % |
2023 | -0,3 % |
2024 | 1,8 % |
Die Energieversorger passten vor allem zu Jahresbeginn 2023 ihre Strom- und Gaspreise spürbar an die hohen Beschaffungskosten an. Das werde die Inflationsrate im ersten Vierteljahr sogar auf etwa 11 Prozent hochtreiben. Damit gingen die realen Haushaltseinkommen kräftig zurück und die Kaufkraft sinke spürbar. Das dritte Entlastungspaket der Regierung dürfte diesem Rückgang zwar etwas entgegenwirken, ihn aber bei weitem nicht ausgleichen.
„In diesem Winter wird niemand hungern und niemand frieren“
Christian Lindner versucht derweil zu beruhigen. Auf Twitter sagte er: „Wir müssen realistisch sein: Wir können nicht alles abwenden, was an Herausforderungen auf unser Land zukommt. Ein Versprechen kann diese Bundesregierung aber geben: Aufgrund von finanziellen Sorgen wird in diesem Land in diesem Winter niemand hungern und niemand frieren.“