Rotierende Massen: Auch Windräder können Momentanreserve liefern
Unter dem Stichwort „rotierende Massen“ versteht man i.d.R. den Zusammenhang der sich drehenden Rotoren eines Generators in einem z. B. Kohlekraftwerk und der Frequenzhaltung im Stromnetz. In diesen Rotoren sind die Leiterspulen für das Magnetfeld untergebracht. Durch die Drehung des Magnetfeldes wird in den Spulen des Stators elektrischer Strom erzeugt, der dann in das Stromnetz eingespeist wird. Die Drehzahl des Rotors bestimmt die Frequenz des eingespeisten Wechselstroms.
Bei einer Lasterhöhung geben sie sofort Energie an das Netz ab und verlieren im Gegenzug mechanische Rotationsenergie, sie werden abgebremst. Bei einer Lastverringerung verhält es sich genau umgekehrt. Dies ist ein natürliches Verhalten der Generatoren und bedarf keiner Beeinflussung von außen.
Da deren Drehzahl allerdings in einem engen Bereich gehalten werden muss, wird diese stetige Drehzahländerung nur kurzzeitig zugelassen. Sobald es eine Drehzahländerung gibt, wird der Dampfzustrom über ein Regelventil so angepasst, dass die Drehzahl wieder konstant gehalten wird.
Mit Ausbau Erneuerbarer Energien und dem Abschalten konventioneller Kraftwerke geht die Massenträgheit der Synchrongeneratoren verloren, die das Stromnetz stabilisieren. Hier könnten Windenergieanlagen einspringen. Doch halten sie den dadurch entstehenden mechanischen Belastungen stand?
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Netzstabilisierende Leistungen erzeugen keine kritische Belastung
Das 2020 abgeschlossene Forschungsprojekt „GridLoads“ vom Fraunhofer IEE und der MesH Engineering GmbH zeigt jetzt deutlich, dass moderate Abrufe netzstabilisierender Leistungen grundsätzlich keine kritische Belastung der mechanischen Komponenten darstellen, wenn die Regelungsmodule der Windkraftanlagen zuvor für die neue Aufgabe gerüstet werden. Auch mit Netzpendelungen oder der Umschaltung von Stufentrafos kommen Windkraftanlagen problemlos zurecht.
Die dadurch verursachten Schwingungen sind so gering, dass die Komponenten keinen Schaden nehmen. Die Minderung der Netzträgheit durch die vermehrte Einspeisung von Windenergieanlagen lässt sich also in den allermeisten Situationen durch die Anlagen selbst ohne Probleme ausgleichen.
„Weniger konventionelle Kraftwerke im Netz bedeuten weniger Trägheit im System – die Versorgungssicherheit ist gefährdet, wenn dem nicht begegnet wird“, sagt Projektleiter Dr. Boris Fischer vom Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE.
„Auf dem Papier eignet sich kinetische Energie in den Rotoren von Windenergieanlagen hervorragend, den Verlust an Massenträgheit auszugleichen. Unser Forschungsprojekt zeigt ganz deutlich, dass dies auch in der Praxis möglich ist – selbst Momentanreserve können die Anlagen bereitstellen. Damit haben wir Pionierarbeit für die künftige Sicherung der Netzstabilität geleistet“, stellt Fischer fest.
Windkraftanlagen könnten auch Kraftwerksausfall oder System Split standhalten
Lediglich bei einigen seltenen, speziellen Netzfehlern wie dem Auftreten von großen Leistungsdefiziten oder -überschüssen etwa durch den Ausfall eines Kraftwerks oder durch die fehlerbedingte, spontane Bildung eines Inselnetzes („System Split“), müssen Windenergieanlagen schlagartig ausreichend Kompensationsleistung bereitstellen, indem sie sehr schnell das Generatormoment erhöhen, was einen Stoß auf den Triebstrang und damit eine übermäßig hohe mechanische Belastung von Triebstrang und Turm zur Folge hat.
Diesem Problem könne man laut „GridLoads“ aber u.a. mit der Erweiterung der Überlastfähigkeit und mit zusätzlichen Komponenten wie Batterien oder auch Superkondensatoren als Kurzzeitspeicher begegnen. Sie sind in der Lage, die benötigten hohen Leistungen innerhalb kürzester Zeit bereit zu stellen.
Eine andere Alternative ist, die Leistungsreserven der Anlagen zu nutzen – schließlich laufen sie nur 10 bis 20 Prozent ihrer Lebensdauer mit voller Nennleistung. Hinzu kommt, dass in Starkwindzeiten viele Anlagen gedrosselt werden. „Welche Vor- und Nachteile diese Optionen in wirtschaftlicher Hinsicht haben, ist noch zu diskutieren“, kommentiert Fraunhofer-Forscher Fischer.
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Auch E-Auto-Batterien können träge Massen von Großkraftwerken ersetzen
Neben Windkraftanlagen können aber auch Elektroautos die trägen Massen von Großkraftwerken ersetzen und wesentlich zur Netzstabilisierung und zum Systemwiederaufbau beitragen. Laut einer 2019 veröffentlichten Studie von TenneT und Mercedes-Benz Energy im Rahmen des Projekts Enera können E-Auto-Akkus die trägen Massen von Großkraftwerken ersetzen und den Schwarzstart von Kraftwerken unterstützen.
Im Test Lab in Kamenz haben der Übertragungsnetzbetreiber TenneT und Mercedes-Benz Energy jetzt nachweisen können, dass die Batteriespeicher von Elektroautos in weniger als 100 Millisekunden auf eine sich ändernde Frequenz reagieren. Damit können sie die trägen Massen von Großkraftwerken mit ersetzen. Das ist wichtig, da Frequenzabweichungen erst verzögert durch Primärregelleistung ausgeglichen werden können.