Unterwasser-Pumpspeicher-Kraftwerke könnten Energiewende revolutionieren
Wie funktioniert der Meerespumpspeicher?
Ein Kugelpumpspeicher ist ein Konzept eines Speicherkraftwerktyps, das das Prinzip der Pumpspeicher-Kraftwerke auf den Meeresgrund überträgt. So könnten große Strommengen auch in direkter Nähe von Offshore-Windparks gespeichert werden.
Dazu wird ein Hohlkörper auf dem Meeresboden installiert. Darin befindet sich auf der Oberseite eine Öffnung, in die eine Pumpturbineneinheit integriert ist. Öffnet man nun ein Ventil an der Kugel, strömt Wasser in die Kugel und treibt die Turbine an. Strom wird also erzeugt (wie bei einem Pumpspeicher-Wasserkraftwerk an Land). Das entspricht dem Entladen des Speichers.
Beim Laden des Speichers wird Wasser mit z.B. überschüssigem Wind- oder Solarstrom gegen den Druck der Wassersäule aus der Kugel herausgepumpt. Anschließend kann der Zyklus erneut beginnen.
Ein Unterwasserkabel schafft dabei die Verbindung zum Stromnetz an Land oder zu einer schwimmenden Transformator-Station eines Offshore-Windparks.
Die Speicherkapazität steigt bei gleichem Volumen linear mit der Wassertiefe an. Kapazität und Leistung der Kugelspeicher hängen vor allem von zwei Faktoren ab: vom Volumen der Kugeln sowie von der Wassersäule, die auf ihnen lastet.
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Feldversuch mit einer Drei-Meter-Kugel im Bodensee in 100 m Wassertiefe
Die Idee geht auf die zwei Physiker Prof. Dr Horst Schmidt-Böcking und Dr. Gerhard Luther aus dem Jahr 2011 zurück. Daraufhin hat die damalige Hochtief Solutions AG gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE aus Kassel (ehemals Fraunhofer IWES) eine Vorstudie zur grundsätzlichen Machbarkeit des Konzeptes bei großen Wassertiefen im Meer durchgeführt.
Fragestellungen waren z.B. ob man solch ein Konzept tatsächlich bautechnisch realisieren kann oder welche Formen für solch ein Bauwerk gut geeignet wären. Die Kugelform oder geringe Abweichungen davon haben sich in der Vorstudie aufgrund des speicherbaren Volumen/Oberflächen-Verhältnisses und aufgrund gleichmäßigerer mechanischer Belastung relativ schnell als Favorit für die Anwendung herausgestellt.
Daraufhin untersuchte das Fraunhofer IEE im vom deutschen Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt STENSEA die detaillierte Machbarkeit des Konzeptes im Meer und hat zum Beweis der Machbarkeit auch einen vierwöchigen Modellversuch im Bodensee im November/Dezember 2016 in rund 100 m Wassertiefe an einem Modell im Maßstab 1:10 durchgeführt.
Welchen konkreten Beitrag solchen Druckluftspeicherkraftwerke so zur Netzintegration erneuerbarer Energien in Zukunft leisten können, hängt allerdings davon ab, dass sich Unterwasser-Pumpspeicher-Kraftwerke nicht nur als technisch machbar, sondern dazu noch als unter den konkreten Randbedingungen wirtschaftlich tragbar erweisen.
Testlauf vor der kalifornischen Küste in 500 bis 600 Metern Tiefe
Nach dem erfolgreichen Feldtest mit einem kleineren Modell im Bodensee bereiten die Forschenden mit Partnern daher nun einen Testlauf vor der kalifornischen Küste vor: Sie werden dort im Projekt „StEnSea“ in 500 bis 600 Metern Tiefe eine hohle, 400 Tonnen schwere Betonkugel mit neun Metern Durchmesser verankern. Die Leistung dieses Prototypen beträgt 0,5 Megawatt, die Kapazität 0,4 Megawattstunden.
Das Ziel ist es, alle Arbeitsschritte entlang der Herstellung, der Installation, dem Betrieb und der Wartung im Hinblick auf die angestrebte Größe der Kugel – ein Durchmesser von 30 Metern mit einer Wandstärke von zirca drei Metern – zu untersuchen und zu bewerten. So wollen sie überprüfen, ob und wie sich die in diesem Projekt gefundenen Lösungen auf eine solche Riesen-Kugel übertragen lassen.
„Für das Speichern von Strom über mehrere Stunden bis einige Tage hinweg eignen sich Pumpspeicher-Kraftwerke besonders gut. Allerdings ist deren Ausbaupotenzial weltweit stark begrenzt. Daher übertragen wir ihr Funktionsprinzip auf den Meeresgrund – die naturräumlichen und ökologischen Restriktionen sind dort weit geringer. Zudem dürfte die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger deutlich höher sein“, erklärt Dr. Bernhard Ernst, Senior Projekt Manager beim Fraunhofer IEE.
Das Fraunhofer IEE arbeitet bei diesem Projekt zum einen mit dem US-amerikanischen Start-up Sperra zusammen, das sich auf den 3D-Betondruck für Anwendungen im Bereich der erneuerbaren Energien spezialisiert hat. Sperra wird die Betonkugel in Long Beach im 3D-Druckverfahren, womöglich in Kombination mit dem klassischen Betonbau, herstellen.
Zweiter Partner ist Pleuger Industries. Das deutschstämmige Unternehmen mit Hauptsitz in Miami gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Unterwasser-Motorpumpen, einer Schlüsselkomponente der StEnSea-Kugelspeicher.
Als Standort des Speichers haben die Partner ein küstennahes Gebiet vor Long Beach bei Los Angeles ausgewählt. Sie wollen ihn spätestens Ende 2026 in Betrieb nehmen. Das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert das Vorhaben mit knapp 3,4 Millionen Euro, das US-amerikanische Department of Energy mit rund vier Millionen US-Dollar.
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Wassertiefen von 600 bis 800 Metern sind ideal
Die Fachleute des Fraunhofer IEE haben errechnet, dass Wassertiefen von 600 bis 800 Metern aus wirtschaftlicher Perspektive ideale Standorte sind. Denn dort stehen Parameter wie der Druck, das nötige Kugelgewicht und die erforderliche Wandstärke in optimalem Verhältnis zueinander.
Zudem kann man in dieser Tiefe noch konventionelle Unterwasser-Motorpumpen einsetzen. Auch ist es hier nicht nötig, hochfesten Spezialbeton zu verwenden.
Mögliche Standorte für StEnSea-Kugelspeicher in dieser Wassertiefe gibt es mehr als genug, wie eine GIS-Analyse der küstennahen Meeresgebiete zeigt. Dabei haben die Fachleute des Fraunhofer IEE Parameter wie die Bodenneigung, Strömung, Sedimentverschiebung oder die Entfernung zum Land berücksichtigt.
Vor Norwegen zum Beispiel, Portugal, der US-amerikanischen West- und Ostküste, Brasilien oder Japan könnten die Kugelspeicher in großer Zahl installiert werden. Ebenso eignet sich die Technologie für tiefe natürliche oder künstliche Seen, beispielsweise für geflutete Tagebaue.
Pumpspeicher-Kugeln bieten mit 817.000 Gigawattstunden riesiges weltweites Speicher-Potenzial
Das globale Speicherpotenzial dieser Technologie liegt nach Berechnungen der Fraunhofer-Forschenden bei insgesamt 817.000 Gigawattstunden. An den zehn besten europäischen Standorten sind es immer noch 166.000 Gigawattstunden. Zum Vergleich: Die Kapazität der bestehenden deutschen Pumpspeicher-Kraftwerke an Land beträgt gerade einmal knapp 40 Gigawattstunden.
Die Speicherkosten setzen die Forschenden des Fraunhofer IEE mit rund 4,6 Cent pro Kilowattstunde an, die Investitionskosten mit 1.354 Euro pro Kilowatt Leistung und 158 Euro pro Kilowattstunde Kapazität. Die Lebensdauer der Betonkugel liegt bei 50 bis60 Jahren.
Nach jeweils 20 Jahren müssten Pumpturbine und Generator getauscht werden. Die Effizienz liegt bezogen auf einen ganzen Speicherzyklus mit 75 bis 80 Prozent etwas niedriger als bei einem klassischen Pumpspeicher-Kraftwerk. Diese Rechnung basiert auf einem Speicherpark mit sechs Kugeln, einer Gesamtleistung von 30 Megawatt und einer Kapazität von 120 Megawattstunden sowie 520 Speicherzyklen pro Jahr.
Die StEnSea-Kugelspeicher eignen sich vor allem für zwei Geschäftsmodelle: zum einen für Arbitrage-Geschäfts, also den Kauf von Strom bei niedrigen und den Verkauf bei hohen Börsenpreisen – und zum anderen für die Bereitstellung von Regelreserve, mit der Netzbetreiber die Stromnetze stabilisieren.
„Mit der globalen Energiewende wird der Speicherbedarf in den nächsten Jahren enorm zunehmen“, sagt Bernhard Ernst vom Fraunhofer IEE. „Mit dem StEnSea-Kugelspeicher haben wir eine kostengünstige Technologie entwickelt, die sich vor allem für das Speichern über kurze bis mittlere Zeiträume bestens eignet. Mit dem Testlauf vor der US-Küste machen wir einen großen Schritt zur Skalierung und Kommerzialisierung dieses Speicherkonzeptes.“
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