Was bringt der Gebäudetyp E? Baukosten vs. Verbraucherschutz
Bauen in Deutschland gilt derzeit als zu kompliziert und zu teuer. Das liege auch am geltenden Bauvertragsrecht. Mit dem Gebäudetyp-E-Gesetz soll einfaches und innovatives Bauen in Deutschland erleichtert werden. Nach Schätzungen von Fachleuten lassen sich durch den Verzicht auf nicht zwingende Komfortstandards bis zu 10 Prozent der Herstellungskosten einsparen.
Bauvertragsrecht: Komfortstandards nicht mehr zwingend einzuhalten
Um einfaches und innovatives Bauen zu erleichtern, soll das Bauvertragsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geändert werden. Es soll einfacher möglich sein, rechtssicher auf Baustandards zu verzichten, die für die Gebäudesicherheit nicht notwendig sind - und die gesetzlich nicht zwingend sind. Das Gebäudetyp-E-Gesetz soll also nichts an den öffentlich-rechtlichen Vorgaben ändern, die alle Bauvorhaben einhalten müssen.
Das Gebäudetyp-E-Gesetz sieht im Wesentlichen drei Änderungen des Bauvertragsrechts vor:
- der Begriff der „anerkannten Regeln der Technik“ soll konkreter gefasst werden. Es soll erreicht werden, dass reine Komfort-Standards im Allgemeinen nicht als „anerkannte Regeln der Technik“ gewertet werden;
- ferner soll in Verträgen zwischen fachkundigen Unternehmern die Abweichung von „anerkannten Regeln der Technik“ erleichtert werden;
- schließlich soll ein Abweichen von „anerkannten Regeln der Technik“ nicht mehr automatisch ein Sachmangel sein.
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Komfortstandards „vermutlich“ keine „anerkannten Regeln der Technik“
Aber wie soll der Begriff der „anerkannten Regeln der Technik“ geändert werden? Das Bundesministerium der Justiz will hierzu im BGB eine neue Vermutungsregelung schaffen, die auf alle Bauverträge Anwendung finden soll.
Künftig soll die Vermutung gelten, dass reine Ausstattungs- und Komfortstandards keine „anerkannten Regeln der Technik“ sind; für sicherheitsrelevante technische Normen soll eine gegenteilige Vermutung gelten.
Wenn die Parteien die Einhaltung von bloßen Ausstattungs- und Komfortstandards nicht ausdrücklich vereinbart haben, dann soll ihre Einhaltung künftig im Regelfall also auch nicht geschuldet sein; das Pflichtenprogramm desjenigen, der das Bauwerk errichtet, soll dadurch sinnvoll begrenzt werden.
So sind dann zukünftig z. B. nach der DIN Norm 18015 für kleine Wohnzimmer nicht mehr mindestens vier Steckdosen vorzusehen. Oder nach DIN EN 12831-1 Tabelle B.14 für Badezimmer (um eine Norminnentemperatur von 24 Grad herzustellen) muss nicht mehr zwangsläufig die Fußbodenheizung um einen Handtuchheizkörper ergänzt werden.
Für Gebäudebauverträge zwischen fachkundigen Unternehmern - und nur für diese - soll zudem eine vertragliche Vereinbarung über eine Abweichung von den „anerkannten Regeln der Technik“ nicht mehr voraussetzen, dass der Werkunternehmer den Besteller des Bauwerks über Risiken und Konsequenzen der Abweichung aufklärt.
Auch ohne ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung soll eine Abweichung von den „anerkannten Regeln der Technik“ unter gewissen Voraussetzungen möglich sein. So soll eine Abweichung von den „anerkannten Regeln der Technik“ dann keinen Mangel des Bauwerks begründen, wenn die Abweichung dem Besteller vor Ausführung der Bauleistung angezeigt wird, der Besteller nicht unverzüglich widersprochen hat und die dauerhafte Sicherheit und Eignung des Gebäudes gewährleistet ist.
BSB: „Kosten für Verbraucher bleiben ähnlich hoch“
Der Bauherren-Schutzbund e.V. (BSB) hat eine Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus (Gebäudetyp-E-Gesetz) veröffentlicht und dem Bundesministerium der Justiz übermittelt.
Die Verbraucherschützer des BSB kritisieren darin die geplante Aufweichung jahrelang erprobter Bauverfahren und anerkannter Regeln der Technik (a.R.d.T.), zulasten der Bauqualität. Nach Auffassung des BSB verfehlt der Kerngedanke des Gesetzes, den Hausbau erschwinglicher zu machen, für Verbraucher sein Ziel.
„Selbst wenn Unternehmen durch Deregulierung in der Planung in der Massenproduktion Kosten senken können, ist stark zu bezweifeln, dass diese Einsparungen an die Verbraucher weitergegeben werden“, erklärt BSB-Geschäftsführer Florian Becker.
„Wahrscheinlicher ist, dass die Kosten für Verbraucher ähnlich hoch bleiben, während die Margen der Unternehmen steigen und die Bauqualität sinkt.“ Das Gesetzesvorhaben vermittle so den Eindruck eines Konjunkturprogramms für Baufirmen, das Häuslebauer mit geringerer Qualität bezahlen.
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Gebäudetyp E-Gesetz „klarer Rückschritt beim Verbraucherschutz“
Besonders kritisch sieht der BSB, dass Baufirmen Verbraucher künftig nicht mehr aufklären müssten, wenn sie auf Normen und anerkannte Regeln der Technik verzichten, sofern diese nicht sicherheitsrelevant sind. Darüber musste der Verbraucher bisher ausführlich informiert und eine Vereinbarung getroffen werden.
„Wenn es zukünftig nur noch wenige anerkannte Regeln der Technik gibt, muss auch nur noch wenig aufgeklärt werden“, so Becker. „Der Hausbau ist zudem sehr komplex, eine Pauschalunterscheidung zwischen Sicherheitsnormen und Komfortnormen ist in der Praxis vielfach nicht möglich“, so Becker weiter.
Ob ein Gebäude zukünftig den Qualitätsansprüchen der Bauherren entspricht und den Qualitätsversprechen der Baufirma gerecht wird, wird erst durch hohen Prüfaufwand der Bauleistungsbeschreibung zu ermitteln sein. Hinzu kommt, dass Vertragsabweichungen und Baumängel von Auftraggeber- und Auftragnehmerseite ohne Einbeziehung von Normen unterschiedlich interpretiert werden könnten und zu langen und kostenintensiven Rechtsstreiten führen.
Der BSB gelangt daher zu dem Ergebnis, dass das Gesetzesvorhaben nach aktuellem Stand ein klarer Rückschritt beim Verbraucherschutz für den Hausbau ist und völlig offen bleibt, ob tatsächlich eine spürbare Baukostensenkung eintreten wird.
GdW befürchtet Streitigkeiten zwischen Vermietern und Mietern
Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW kritisiert: "Mit der Einführung eines neuen Vertragstyps, des sogenannten „Gebäudebauvertrags“, wird das Werkvertragsrecht weiter zersplittert und verkompliziert. Der neue Vertragstyp unterscheidet zwischen fachkundigen und nicht fachkundigen Unternehmen. Der Gebäudetyp E soll nur für fachkundige Unternehmen anwendbar sein.
Das ist nicht nur eine unnötige Reduzierung des Anwendungsbereichs, sondern schafft neue bürokratische Hürden und unnötige Abgrenzungsschwierigkeiten. Diese Unterscheidung ist nicht nur kompliziert, sondern auch in der Baupraxis unnötig.
Kuriosum des Gesetzentwurfs ist weiter, dass der Entwurf DIN-Normen eine rechtliche Bedeutung beimisst, die sie vorher nicht hatten. Über diese rechtliche Bedeutung darf aber nicht – wie im Entwurf angelegt – ein DIN-Ausschuss entscheiden, sondern der Gesetzgeber etwa im Bauordnungsrecht.
Im Vermietungsbereich ist der Gebäudetyp E in seiner derzeitigen Form kaum anwendbar. Zwar sind Verträge zwischen Unternehmen von Aufklärungspflichten bei Anwendbarkeit des Gebäudetyps E befreit, nicht aber Verträge zwischen Unternehmen und Verbrauchern, also etwa dem Mieter.
Es besteht ein erhebliches Risiko, dass die Anwendung dieses neuen Gebäudetypus ohne gesetzliche Klarstellungen zu Unsicherheiten und Streitigkeiten zwischen Vermietern und Mietern führen wird. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn es um die Einhaltung technischer Normen wie der DIN-Standards geht."