Letzte Aktualisierung: 11.10.2022

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Zwischenbericht der Expertenkommission: Mit diesen Maßnahmen sollen wir „sicher durch den Winter“ kommen

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Nach den Ansichten der, von der Bundesregierung einberufenen, „Unabhängigen Kommission Erdgas und Wärme“ sollen Gas- und Fernwärmekunden hinsichtlich der stark gestiegenen Energiepreise im Dezember durch eine Einmalzahlung entlastet werden. Diese soll eine Brücke bis zum Start der regulären Gaspreisbremse im März 2023, bzw. Januar 2023 für Industriebetriebe, schaffen. Darüber hinaus empfiehlt das Gremium einen Härtefallfonds für Mieter und Eigentümer sowie zusätzliche Hilfen für besonders schwer betroffene Unternehmen.

Das Bild zeigt Prof. Siegfried Russwurm

Co-Vorsitzender Prof. Siegfried Russwurm erarbeitete gemeinsam mit den weiteren Mitgliedern der „Unabhängigen Kommission Erdgas und Wärme“ einen zweistufigen Plan, um Haushalte und Industrie finanziell zu entlasten (Foto: BDI / Christian Kruppa)

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Konkret sollen die Kunden von Gas und Fernwärme im Dezember dieses Jahres keine Abschlagszahlung leisten müssen – die Versorger würden das Geld stattdessen direkt vom Bund erhalten. Die vorgeschlagene Gas- und Wärmepreisbremse von März 2023 bis April 2024 könnte die Energiepreise um bis zu einem Drittel senken.

Der Regierungssprecher Steffen Hebestreit kündigte an, dass das Kanzleramt sowie das Wirtschafts- und Finanzministerium nun „sehr zügig“ an der Umsetzung der Ideen arbeiten:

„Unser Ziel ist klar: Die hohen Gaspreise zu senken und zugleich eine sichere Versorgung mit Gas zu gewährleisten.“

Laut dem Chef der Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, brauche es aber weiter einen sorgsamen Umgang mit dem knappen Gas, denn „die Versorgungslage bleibt trotz der gefüllten Speicher angespannt.“

„Wir müssen in Deutschland ungefähr 20 Prozent sparen, um eine angespannte Versorgungslage und eine Gasmangellage im Winter zu vermeiden“, ergänzt die Ökonomin Veronika Grimm.

Die Kommission, deren Vorsitz sich die Energieexpertin Prof. Dr. Veronika Grimm (Sachverständigenrat der Bundesregierung), Prof. Dr.–Ing. Siegfried Russwurm (Bundesverband der Deutschen Industrie) und Michael Vassiliadis (Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie) teilen, hat sich auf eine Zwischenlösung zur Abfederung der steigenden Gaspreise für Verbraucher und Unternehmen verständigen können.

Drei Kommissionsvertreter stellten am 10. Oktober 2022 ihr einstimmiges Ergebnis in einer Pressekonferenz vor.

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Umsetzung der Maßnahmen soll in zwei Schritten erfolgen

Der Vorschlag der Experten beschreibt ein zweistufiges Model. Bei Stufe 1 handelt es sich um die Einmalzahlung im Dezember 2022, welche die horrenden Belastungen von Gas- und Fernwärmekunden abfangen soll, da diese, im Vergleich zu Haushalten, die nicht mit Gas heizen, deutlich höher sind.

Die Einmalzahlung für die Gaskunden erfolgt auf Basis des Verbrauchs, welchem der Abschlagszahlung aus September 2022 zugrunde gelegt wurde.

Für eine rasche Umsetzung empfiehlt die Kommission in ihrem Beschlusspapier wörtlich folgendes Verfahren:

  1. Der Staat übernimmt als Zahler die Abschläge aller Gaskunden und SLP Kunden außer Industrie und Stromerzeugungskraftwerken. Die Übernahme der Abschlagszahlungen bei Vermietern wird entsprechend § 560 Abs. 3 BGB in der Dezemberabrechnung behandelt.
  2. Zur schnellen Abwicklung müssen die Versorger insoweit von allen Informationspflichten, Form und Fristen etc. gegenüber ihren Kunden freigestellt werden.
  3. Die Versorger verzichten auf die Erhebung der Abschlagszahlung für Dezember. Im Ausgleich bekommen sie die Werte der Abschlagszahlungen spätestens zum 01.12.2022 von einer staatlichen Stelle erstattet.
  4. Erstattungen im Rahmen der Jahresabrechnung erfolgen ausschließlich an die Endkunden.
  5. Voraussetzung für das Aussetzen der Abschlagszahlung gegenüber den Kunden ist ein fristgerechter Zahlungseingang bei den Versorgern bis zum 01.12.2022.

Von der Gas- und Wärmepreisbremse profitieren nicht alle gleichermaßen

Zwischen März 2023 und mindestens April 2024 soll die Gas- und Wärmepreisbremse greifen. Für 80 % des Gasverbrauchs müsste der Staat dann einen Bruttopreis inklusive aller staatlich veranlassten Preisbestandteile von 12 Cent je kWh garantieren.

Für die restlichen 20 % der Verbrauchsmenge oberhalb dieses Grundkontingents gilt der vertraglich vereinbarte Arbeitspreis.

Bei Fernwärmekunden läge der garantierte Preis für ein Grundkontingent von 80 % des Verbrauchs bei 9,5 Cent pro kWh. Für sie wird zusätzlich ein Preisdämpfungsmechanismus beim Preisanpassungsmechanismus für die Fernwärmepreise geschaffen.

Der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, erkennt an dieser Stelle aber auch Schwächen:

"Der vorgeschlagene pauschale 80-Prozent-Rabatt entlastet Haushalte mit hohem Gasverbrauch deutlich stärker als jene mit geringem Gasverbrauch.“

Die Vorteile aus dem Kontingent müssten laut dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung aber auch höhere Einkommensklassen versteuern:

„Nach ersten Berechnungen werden reiche Haushalte dennoch in Euro etwa anderthalbmal so stark entlastet wie ärmere“, bemängelt das IMK.

Laut dem Vergleichsportal Verivox beläuft sich der durchschnittliche Gaspreis im Oktober 2022 auf 20,53 Cent pro kWh. Die nun vorgeschlagene Gaspreisbremse wird nach eigenen Berechnungen die Preise um etwa ein Drittel senken.

Die vom Expertengremium anvisierte Gaspreisbremse würde laut Verivox die Gaskosten für Haushalte um rund 41% reduzieren. Wer ein Einfamilienhaus heizt, könnte somit um rund 1.700 € entlastet werden. Der Großteil dieses Betrags greift allerdings erst ab März 2023.

Den vom Staat erhaltene Betrag müssen die Kunden nicht zurückzahlen, selbst bei einer Abweichung des tatsächlichen Verbrauchs von der zuvor angenommenen Menge.

Dadurch soll der Energiesparanreiz bestehen bleiben, denn jede eingesparte Kilowattstunde reduziert den Rechnungsbetrag um den im Versorgungsvertrag vereinbarten Arbeitspreis.

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Die Industrie hofft auf schnelle Unterstützung

Bei den 25.000 großen industriellen Gasverbrauchern gestalten sich die Zahlen anders: Hier soll ein Verbrauch von 70 % des Jahres 2021 mit Staatsgeld subventioniert werden.

Für dieses Kontingent sieht die Kommission einen Beschaffungspreis von 7 Cent je kWh vor, darüber wären die regulären Marktpreise fällig.

„Der Zwischenbericht der Kommission ist ein richtiger Schritt zur Entlastung der Gasverbraucher in Deutschland. Jetzt kommt es auf die gesetzliche Umsetzung und die Regelungen im Detail an“, sagt Christian Seyfert vom Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK).

„Für unsere Mitglieder zählen vor allem eine schnelle und unbürokratische Implementierung der vorgeschlagenen Maßnahmen. Jedoch darf hierbei die Vielfalt der Erzeugungs- und Produktionsbedingungen der energieintensiven Industrie nicht übersehen werden. Es muss geprüft werden inwieweit einzelne, besonders schwer von den Preisanstiegen betroffene, Unternehmen schon vor dem 01. Januar 2023 passgenaue individuelle Unterstützung benötigen.“

Ambitionierte Ziele mit versteckten Risiken

Mit dem zweistufigen Verfahren sollen laut Gremium zwei Ziele kombiniert werden: Die Entlastung der Verbraucher und der Anreiz, auch weiterhin Gas zu sparen.

Der Direktor des Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, sieht den Vorschlag aber auch mit Risiken verbunden:

„Erstens, dass in Deutschland weiterhin zu wenig Gas gespart wird, zweitens, dass die Haushalte zu wenig entlastet werden, und drittens, dass die anderen europäischen Mitgliedsstaaten ihre Subventionen für den Gasverbrauch nicht zurückfahren, weil Deutschland zu wenig spart.“

Zusammen verursachen die Maßnahmen aus dem zweistufigen Modell geschätzte Kosten von 91 Milliarden Euro, wovon fünf Milliarden Euro für den Abschlag im Dezember und 66 Milliarden Euro für Haushalte und Kleingewerbe vorgesehen sind.

Die verbleibenden 25 Milliarden Euro entfallen auf die Industrie. Da die Entlastungszahlungen steuerpflichtig wären, werden die tatsächlichen Auszahlungen und damit auch die Kosten für den Staat geringer ausfallen.

Kritik kommt von Kommunen, Verbänden und Gewerkschaften

Die Vorschläge der unabhängigen Expertenkommission sollen auf vielen Ebenen Entlastung schaffen und werden dennoch von vielen Verbänden, Gewerkschaften, Instituten und Ökonomen kritisiert.

Enttäuscht zeigte sich unter anderem der Bundesverband der Verbraucherzentrale:

„Der geplante, grundsätzlich richtige Einmalbetrag hilft schnell und unbürokratisch, ist jedoch abermals das Prinzip Gießkanne. Das Geld sollte besser gestaffelt nach dem Einkommen ausgezahlt werden“, so die Verbandschefin Ramona Pop.

Von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi heißt es, das Modell sei sozial nicht ausgewogen genug. Eine Zweizimmerwohnung werde demnach genauso behandelt wie eine Villa mit Pool. Stattdessen müsste es eine Grundmenge pro Haushalt zu einem Preis aus der Zeit vor der Krise geben. Trotzdem unterstütze man bei Verdi die konkreten Verbesserungsvorschläge und Forderungen an die Politik.

Von Benachteiligungen ist aber auch beim Deutschen Städte- und Gemeindebund die Rede. Gegenüber der Rheinischen Post forderte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsbergs die Bundesregierung dazu auf „die Gaspreis- und Fernwärmepreisbremse auch auf kommunale Gebäude und kommunale Einrichtungen auszudehnen.“

Gremium tagt noch zwei weitere Male

Die „Unabhängige Kommission Erdgas und Wärme“, die ihre aktuellen Empfehlungen nach 35-stündiger Klauser verkündete, setzt sich aus Vertretern von Wissenschaft, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden zusammen.

Am 17. Oktober 2022 und 24. Oktober 2022 wollen die Mitglieder erneut zusammenkommen, um über mögliche europäische Strategien gegen die hohen Energiepreise zu beraten. Die finalen Arbeitsergebnisse sollen bis Ende des Monats vorliegen.

Dann liegt die Verantwortung beim Bund, welche Handlungsschritte aus den Feststellungen umgesetzt werden sollen.

„Die Politik ist jetzt aufgerufen, schnell einfach umsetzbare gesetzliche Regelungen zu verabschieden“, heißt es in einem Statement des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (bdew).

„Klar ist aber auch: Das Thema Energiesparen wird weiterhin sehr wichtig sein. Trotz aller richtigen und notwendigen staatlichen Unterstützung: Ein hundertprozentiger Ausgleich der Belastungen wird angesichts der historischen Dimensionen, in denen wir uns mit Blick auf die Energiekosten bewegen, leider nicht möglich sein.“

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