Die Universitäten Greifswald, Münster und Rostock sowie die Firma Cognis als Industriepartner suchten zwischen 2007 und 2010 nach neuen Verwertungsoptionen für Glycerin. Die Wissenschaftler entwickelten in diesem Zeitraum vielversprechende Verfahren und Produktoptionen, die nun in weiterführenden Arbeiten auf ihre technische Realisierbarkeit und die Überführung in den Pilotmaßstab überprüft werden sollen.
Die folgenden drei Verfahren und Produkte stellten sich als besonders vielversprechend heraus:
1) Mittels chemo- und biokatalytischer Methoden gelang es den Forschern, alkoxylierte Glycerinacetale herzustellen, eine neue Klasse von nichtionischen Tensiden, die ein geringes Schaumverhalten mit hoher Oberflächenaktivität kombinieren und sich als Waschmittel und Emulgator eignen.
2) Die fermentative Herstellung von Serinol (ein Aminoalkohol) aus Glycerin eröffnet einen vollständig neuen Zugang zu diesem Molekül. Darauf aufbauend lassen sich potenzielle kosmetische Wirkstoffe synthetisieren.
3) Mit Hilfe von biokatalytischen Methoden ließ sich Glycerinsäure gewinnen, die bisher noch nicht in technischen Mengen verfügbar ist. Möglich wurde dies durch die Identifizierung neuer geeigneter Enzyme zur Oxidation von Glycerin zu Glycerinsäure.
Ferner ist auch die selektive chemische Herstellung von Diglycerin aus Glycerin interessant; sie stellt eine komplett neue Route zur Herstellung dieses Moleküls ohne den Umweg über petrochemisch basiertes Epichlorhydrin dar, mit dem sich außerdem eine bessere Produktqualität erzielen lässt.
In Folge der Biokraftstoffpolitik der EU mit wachsenden Biodieselanteilen in den Mitgliedstaaten hat auch das Glycerin-Angebot stark zugenommen. Glycerin, Bestandteil von Pflanzenölen, fällt bei der Herstellung von Biodiesel etwa im Verhältnis 1:10 an. Neue Verfahren und Anwendungsoptionen für Glycerinderivate wären deshalb sehr interessant für die Industrie, aber auch aus Sicht der Politik, denn Glycerin ist pflanzenbasiert und die daraus gewonnenen Produkte emittieren bei einer energetischen Verwertung am Ende ihrer Lebensdauer weniger Treibhausgase als fossil-basierte. Mit Verfahren zur Verarbeitung von Glycerin ließen sich zudem bestehende chemische Prozesse ersetzen, die häufig energieintensiv und mit Umweltbelastungen verbunden sind und seltene Metalle als Katalysatoren benötigen.