Welche klimaschutzrelevanten, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen eine mögliche Übertragung der Verpflichtungen aus dem EEWärmeG auf den Bestand der Gebäude in Sachsen-Anhalt hätte, hat jetzt das Leipziger Institut für Energie im Auftrag des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt Sachsen-Anhalt untersucht. Herausgekommen ist ein Dilemma: Das EEWärmeG könnte helfen, die CO2-Emissionen deutlich zu reduzieren. Nur die damit verbundenen Kosten können viele Hausbesitzer in Sachsen-Anhalt nicht bezahlen.
Viele Einfamilienhäuser in Sachsen-Anhalt energetisch sanierungsbedürftig
Fast 40 Prozent des Endenergieverbrauchs wird in Sachsen-Anhalt für die Beheizung von Wohnungen und Gebäuden aufgewendet. Während in Sachsen-Anhalt die Mehrfamilienhäuser schon umfangreich saniert wurden, gibt es jedoch einen deutlichen Nachholbedarf bei der energetischen Sanierung der älteren Einfamilienhäuser. Denn in sehr vielen Haushalten des Landes sind zu Beginn der 90-er Jahre neue Heizungen eingebaut worden, die jetzt ihre Nutzungsdauergrenze erreicht haben und ersetzt werden müssen. Da sowohl die Kosten dieser Maßnahmen als auch ihr Beitrag zur Treibhausgasminderung sehr unterschiedlich ausfallen, hat Sachsen-Anhalt die Studie "Auswirkungen einer Übertragung des EEWärmeG auf den Bestand" beim Leipziger Institut für Energie in Auftrag gegeben.
Zusatzbelastungen könnten kurz- bis mittelfristig nicht aufgefangen werden
In wirtschaftlicher Hinsicht stellt die Studie fest, dass die Verpflichtungen aus dem Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz (EEWärmeG) zu einer höheren finanziellen Belastung führen. Laut Studie ziehe die Pflicht zur Nutzung Erneuerbarer Energien in der Regel höhere Vollkosten der Wärmebereitstellung und demzufolge zu Zusatzbelastungen der Eigentümer und Nutzer nach sich. Kurz- bis mittelfristig könnten diese höheren Investitionen nicht durch die einhergehenden Energiekosteneinsparungen aufgefangen werden, so die Studie. Landwirtschafts- und Umweltminister Dr. Hermann Onko Aeikens sieht daher eine Ausweitung des EEWärmeG auf den Gebäude-Altbestand kritisch: "Für die Sanierung von Altbeständen zeigt die Studie, dass eine Pflicht zur Nutzung erneuerbarer Energien den Hausbesitzern höhere Kosten verursacht als der Einsatz traditioneller Heizsysteme."
41 % aller privaten Haushalte könnten keine weiteren Belastungen tragen
Tendenziell können private Haushalte mit den Haupteinkommensbeziehern Selbstständige, Beamte, Angestellte und Arbeiter zusätzliche Belastungen tragen. Arbeitslose und Nichterwerbstätige wie z. B. Rentner hingegen verfügen, ohne Einschränkung der Konsumausgaben, über keine finanziellen Freiräume. Haushalte mit Einkommen von bis zu 1.500 Euro je Monat könnten - laut Studie 41 % aller privaten Haushalte - keine weiteren Belastungen tragen: Sofern diese Haushalte über Wohneigentum verfügen, könnten die zusätzlichen Anfangsinvestitionen des EEWärmeG nicht ohne die Reduzierung ihrer Konsumausgaben angespart werden. Nennenswerte finanzielle Freiräume weisen lediglich Haushalte mit einem Nettoeinkommen ab 2.000 Euro je Monat auf.
EEWärmeG könne deutliche Minderung der CO2-Emissionen bewirken
Demgegenüber weisen alle untersuchten Technologien und Maßnahmen des EEWärmeG jedoch eine Minderung der CO2-Emissionen gegenüber den am Markt etablierten Heizsystemen auf. Die Ausweitung des EEWärmeG auf den Gebäudebestand würde sich positiv auf die Treibhausgasbilanz des Landes Sachsen-Anhalt auswirken. Je nachdem welche Heizsysteme und Maßnahmen des EEWärmeG Anwendung finden, können die CO2-Emissionen im Gebäudebestand um ca. 0,77 bis 1,1 Mio. Tonnen jährlich bis zum Jahr 2020 sinken. Und gegenüber dem aktuellen Trend der Emissionsentwicklung könnten laut Studie mit der Ausweitung des EEWärmeG auf den Gebäudebestand zusätzliche CO2-Einsparungen von 0,24 bis 0,56 Mio. Tonnen je Jahr bis zum Jahr 2020 induziert werden.
Ländergesetze zum EEWärmeG auch für den Altbaubestand möglich
Das seit 2009 geltende EEWärmeG verpflichtet Bauherren, zur Wärmeversorgung ihrer neu zu errichtenden Gebäude, erneuerbare Quellen wie Solarthermieanlagen, Wärmepumpen, Biomassekessel und andere einzusetzen oder - als Ersatz für solche anlagentechnischen Lösungen - beispielsweise eine über die Anforderungen der Energie-Einsparverordnung (EnEV) hinausgehende zusätzliche Dämmung vorzusehen. Die geforderten Mindestanteile am Gesamtwärmebedarf reichen von 15 % für Solarthermie bis 100 % für Nah- oder Fernwärme. Über die Vorgaben zu den Mindestanteilen hinaus sind derzeit im EEWärmeG weitere Anforderungen definiert. Diese reichen von definierten Mindest-Solarkollektorflächen je m² Nutzfläche bis hin zur Vorgabe einer Mindest-Effizienz von Biomasse-Kesseln und Wärmepumpen. Das EEWärmeG ermöglicht es aber auch den Ländern, eigene Landesgesetze mit entsprechenden Anforderungen für den Gebäudebestand zu erlassen. Hiervon hat gegenwärtig nur Baden-Württemberg Gebrauch gemacht.