Auch nach der Öffnung des Regelenergiemarktes für den Wettbewerb bleibt es bei einer gemeinsamen Dominanz der vier führenden Stromerzeuger. Für alle Arten von Minutenreserven erfüllen sie die so genannte Marktmachtvermutung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung. Ob diese Marktdominanz allerdings missbräuchlich ausgenutzt wird, ist - auch aufgrund des komplizierten Marktdesigns - nicht eindeutig zu beantworten. Zu diesem Schluss kommt eine gemeinsam vom WIK (Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste) und der WHU - Otto Beisheim School of Management veröffentlichte Studie.
Regelenergie wird von den Übertragungsnetzbetreibern als "Leistungsreserve" benötigt, um kurzfristige Schwankungen der Stromnachfrage oder des -angebots ausgleichen zu können. Im Zuge der zunehmenden Einspeisung regenerativer Energien werden Angebotsschwankungen immer bedeutsamer. Da die Kosten der Regelenergie zu großen Teilen an die Verbraucher weiter gegeben werden, geht die Studie der grundsätzlichen Frage nach, ob auf dem Regelenergiemarkt Marktmacht vorlag. Das wiederum würde dann die Gefahr missbräuchlich überhöhter Regelenergiepreise bergen.
Marktmachtmissbrauch ist, trotz der umfassenden Datenlage und Datenanalyse, nicht feststellbar. Aber: "Unsere Ergebnisse bedeuten weder, dass Missbrauch vorlag, noch dass kein Missbrauch vorlag", erklärt Professor Dr. Felix Höffler von der WHU. "Diese Frage lässt sich nur dann befriedigend beantworten, wenn man für das komplexe Marktdesign einen wettbewerblichen Vergleichsmaßstab zur Verfügung hätte, wenn man also wüsste, was man bei funktionierendem Wettbewerb zu erwarten hätte." Der Regelenergiemarkt verwendet eine Auktion im Gebotspreisverfahren. Jeder Bieter zahlt für jede angebotene Menge genau seinen eigenen Gebotspreis. Dadurch variieren die Preise und Durchschnittserlöse zwischen den Bietern erheblich. Es gibt also keinen einheitlichen Marktpreis, was traditionelle Preis-Kosten-Vergleiche erschwert. Eine theoretische Analyse für diese Art von Auktionen liegt bisher in der ökonomischen Forschung nicht vor. "Um die Frage nach Missbrauch beantworten zu könne, müssen wir diese Auktion erst noch besser verstehen lernen", so Dr. Christian Growitsch, Leiter Energiemärkte und Energieregulierung beim WIK. Weitere Analysen sind also notwendig.
Quelle: WIK Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste