Hoch über dem Fluss spannt sich eine schmale Eisenbrücke. Ein Fußgänger spürt deutlich, wie der Stahl schwingt, wenn eine weitere Person die Brücke betritt. Damit jeder sich beim Überqueren sicher fühlen kann, wird mit aufwändigen Verfahren geprüft, in welchem Zustand die Struktur ist und ob Einsturzgefahr besteht. "Oft werden etwa Brücken mit riesigen Fallhämmern angeregt, um das Schwingungsverhalten zu testen", sagt Dr. Dirk Mayer vom Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt. Derzeit arbeiten Mayer und sein Team daran, natürliche Faktoren wie Wind oder Wasser für eine automatisierte Schwingungsanalyse zu nutzen. Langwierige und teure Hammertests könnten mit dieser "Output Only Modal Analyse" schon bald überflüssig werden.
Im Gegensatz zu bisherigen Testverfahren arbeiten die Wissenschaftler nicht mit dem Hammer oder Shaker – sondern ausschließlich mit den Einflüssen der Umwelt. Um die Schwingungserregung durch den vorhandenen Wind zu nutzen, haben die Experten zwei Beschleunigungssensoren an einem Windradmodell angebracht. Zwei Rechner verarbeiten die gemessenen Werte. "Zwei Computer deshalb, weil schon bei 100 Abtastwerten pro Sekunde innerhalb kurzer Zeit riesige Datenmengen auflaufen", sagt Mayer. "Deshalb übernimmt ein PC die Vorverarbeitung der Signale und komprimiert so die Daten. Der zweite erledigt die weitere Auswertung und bestimmt die Resonanzfrequenzen. Wird die Frequenz im Lauf der Zeit niedriger, bedeutet dies, dass die Steifigkeit nachlässt. Der Prüfer weiß, was die Steifigkeits- oder Dämpfungswerte für sein Bauteil oder seine Maschine bedeuten. Bei unserem Test erkennen wir, ob die Stange des Windradmodells defekt ist. Bei Brücken kann man auf den Bauteilzustand schließen, wenn man mit dieser Methode einige Wochen die Anregungen, die die Fußgänger auslösen, auswertet."
Die Forscher wollen ihr Verfahren künftig als Dienstleistung anbieten. "Nicht nur bei Brücken, sondern auch bei Schiffen, Windenergieanlagen oder Flugzeugen ist es wichtig, das Schwingungsverhalten kontinuierlich zu überwachen. Bei Flugzeugen verwendet man allerdings unter den Tragflächen angebrachte elektro-dynamische Shaker, um Defekte zu entdecken.", erläutert Mayer. Doch nicht nur die Fehlersuche steht im Fokus. Die Forscher überlegen zudem, inwieweit sich unerwünschte Schwingungen aktiv dämpfen lassen.
Quelle: Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit