Vergangene Woche haben in Berlin Hessens Umweltministerin Silke Lautenschläger, Bayerns Umweltminister Markus Söder und Baden-Württembergs Umweltministerin Tanja Gönner angemahnt, in der Energiepolitik an den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages festzuhalten. "Wir sind vor der Bundestagswahl für längere Laufzeiten der Kernkraftwerke eingetreten und das muss auch weiterhin gelten", bekräftigten sie. Anlass für die Kritik gaben jüngste Äußerungen von Bundesumweltminister Norbert Röttgen, wonach die Kernenergie überflüssig werden soll, wenn der Anteil der erneuerbaren Energien die 40 Prozent-Marke erreicht. Derzeit werden rund 16 Prozent des Stroms in Deutschland aus Ökoenergien erzeugt. Etwa 23 Prozent des Bedarfs wird durch Strom aus Kernkraft gedeckt. In den wirtschaftsstarken südlichen Ländern Baden-Württemberg, Bayern und Hessen werden allerdings über 50 Prozent des Stroms in Kernkraftwerken gewonnen.
"Die Kernenergie ist eine Brückentechnologie. Dafür stehen wir. Und wir stehen auch dafür, dass nur Kernkraftwerke weiter betrieben werden, die international strengsten Sicherheitsanforderungen genügen. Dennoch sind wir sehr verwundert über die vom Bundesumweltminister vorgenommene Vorfestlegung. Das entspricht nicht dem, was vereinbart wurde", so die Länderminister. Über den künftigen Stellenwert der Kernenergie könne sinnvoll nur im Kontext eines Gesamtenergiekonzepts entschieden werden, das künftige Entwicklungen in der Energieversorgung hinreichend berücksichtige. Eine isolierte Betrachtung der Kernenergie sei dagegen nicht Ziel führend, mahnten die Landesumweltminister. "Der eingeengte Blick auf den Ausbau der erneuerbaren Energien greift zu kurz." Die Minister forderten den Bund auf, im Blick auf eine mögliche Laufzeitverlängerung unverzüglich in Gespräche mit den Ländern einzutreten.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat den Kurs der Landesumweltminister Silke Lautenschläger (Hessen), Tanja Gönner (Baden-Württemberg) und Markus Söder (Bayern) in der Atomfrage kritisiert. Wer für verlängerte AKW-Laufzeiten eintrete, dürfe den Titel Umweltminister eigentlich nicht mehr für sich beanspruchen, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. "Längere Atomkraftwerkslaufzeiten blockieren den Ausbau erneuerbarer Energien und damit den Klima- und Umweltschutz. Wenn die Atommanager alte Reaktoren am Netz lassen wollen, um damit pro Jahr und Meiler 300 Millionen Euro zusätzlich zu verdienen, so scheint das aus deren Sicht profitabel. Aber allein die ungelöste Atommüllentsorgung muss Bundesumweltminister Norbert Röttgen und Kanzlerin Angela Merkel dazu bewegen, ihr Veto gegen eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten einzulegen", sagte Weiger.
Die baden-württembergische BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender wies darauf hin, dass das zur Abschaltung anstehende AKW Neckarwestheim 1 mit 420 meldepflichtigen Ereignissen zu den störanfälligsten Atomkraftwerken in Deutschland gehöre. "Für diesen Schrottreaktor, der schon längst hätte abgeschaltet werden müssen, darf es keine Laufzeitverlängerung geben", erklärte Dahlbender. "Eine Strommengenübertragung auf Alt-Reaktoren geht immer auf Kosten der Sicherheit. Umweltministerin Gönner dient mit ihrer Pro-Atompolitik den Klientelinteressen der großen Energiekonzerne, die mit ihrer aussterbenden Dinosauriertechnologie weiter Profit machen wollen."
Quelle: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) / Staatsministerium Baden-Württemberg