Wasser und Energie sind auf vielfältige Weise miteinander verbunden. So werden mit Strom aus Wasserkraft 16,5 Prozent des weltweiten Energiebedarfs gedeckt. Wasserkraft trägt so mit rund Dreiviertel einen Großteil zur gesamten Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen bei. Auf der anderen Seite werden weltweit aber auch rund 8 Prozent des Verbrauches elektrischer Energie für die Förderung, Behandlung und den Transport von Wasser benötigt. Allein die in Deutschland vorhandenen Anlagen für die öffentliche Wasserversorgung und Abwasserbehandlung verbrauchen zusammen 6,6 TWh elektrische Energie pro Jahr. Das entspricht dem jährlichen Strombedarf von etwa 1,6 Millionen Vier-Personen-Haushalten. Dabei sind die Kläranlagen mit 4,2 TWh pro Jahr die größten Stromverbraucher im kommunalen Bereich und haben einen höheren Strombedarf als beispielsweise Schulen oder die Straßenbeleuchtung.
Dieser immense Energiebedarf für die Abwasserbehandlung fällt konzentriert gerade in Ballungsräumen und Großstädten an. Denn obwohl im Abwasserbereich in den vergangenen Jahren bereits erhebliche technologische Verbesserungen erzielt werden konnten, wird es für die Abwasserentsorgung immer schwieriger, mit dem schnellen Bevölkerungsanstieg und den steigenden Umwelt- und Klimaschutzauflagen Schritt zu halten. Forscher des ISOE – Insitut für sozial-ökologische Forschung haben sich dieser Problematik angenommen und in drei Projekten in China, Hamburg und Frankfurt am Main nach konkreten Lösungen gesucht, um den Energiebedarf der Wasserver- und entsorgung zu reduzieren.
SEMIZENTRAL: Mitwachsende Wasserversorgung
Konventionelle Ver- und Entsorgungssysteme, wie sie heute üblicherweise in Industrieländern eingesetzt werden, haben den Nachteil haben, dass sie sich jeweils nur auf die Versorgung oder auf die Entsorgung von Abwasser konzentrieren. Hier setzt das Projekt "China Semizentral" an, das in einem neuen für die Weltgartenschau 2014 errichteten Stadtteil in der nordchinesischen Hafenstadt Qingdao semizentrale, kleinteilige Ver- und Entsorgungsstrukturen erprobt, die entsprechend des Bevölkerungswachstums "mitwachsen" sollen. Das ISOE erarbeitet dabei eine naturwissenschaftliche Stoffstrommodellierung, mit deren Hilfe gezielt sowohl Trinkwasser bereitgestellt als auch Brauchwasser für andere Zwecke wie z.B. zur Toilettenspülung verwendet werden kann. Abwasser aus den Duschen und Waschbecken wird dabei getrennt vom stärker belasteten Abwasser aus den Toiletten und Küchen erfasst und aufbereitet. Mit diesem Modell lassen sich zudem tageszeitliche Änderungen und Schwankungen der Stoffströme abbilden und analysieren.
HAMBURG WATER Cycle: Energie aus Klärgas
Im Stadtgebiet von Hamburg entsteht auf einem ehemaligen Kasernengelände das neue Stadtquartier Jenfelder Au mit ca. 770 neuen Wohneinheiten. Im neuen Entwässerungskonzept soll das Toilettenabwasser - das sogenannte Schwarzwasser - und sonstiges häusliches Abwasser - das sogenannte Grauwasser - getrennt abgeleitet werden. Das Grauwasser soll energiesparend semizentral behandelt und an die Vorflut abgegeben werden. Das Schwarzwasser wird mit Vakuumtechnik konzentriert erfasst und in einem Anaerob-Reaktor gemeinsam mit organischen Abfällen (Co-Substraten) behandelt. Das dabei produzierte Klärgas wird in einem Block-Heizkraftwerk zur Strom- und Wärmeproduktion. Aus den Gärresten können hochwertige Produkte zur Bodenverbesserung und Düngung hergestellt werden. Die regenerative Energiegewinnung der Klärgasnutzung soll durch die Nutzung von Erdwärme und Solarthermie unterstützt werden. Das ISOE analysiert dabei das Nutzerverhalten und die Nachhaltigkeit.
netWORKS 3: Innovationen in die Praxis überführen
Im Forschungsverbund netWORKS werden Implementierungskonzepte innovativer und nachhaltiger Lösungen in Modellgebieten für die kommunale Wasser- und Abwasserwirtschaft entwickelt und erprobt. Diese Konzepte sollen es den kommunalen Betrieben ermöglichen, auf die zunehmende Komplexität ökologischer und sozialer Rahmenbedingungen zu reagieren. Das Projekt netWORKS 3 erarbeitet dazu zunächst Bewertungskriterien zur Identifikation geeigneter Quartiere, definiert Systemvarianten und bilanziert Stoffströme, um damit alternative Lösungen zu entwickeln. Die entwickelten Systemvarianten sollen dann in einem Wohngebiet in Frankfurt am Main umgesetzt werden. Dort werden auch potenzielle Mieter und Kaufinteressierte zu ihrer Einstellung und Motivation für neue Systemlösungen befragt. Gleichzeitig prüft das Forschungsteam die aktuelle gesetzliche Lage und identifiziert Handlungsspielräume für die Kommunen, die die wasserwirtschaftlichen Akteure häufig unterschätzen.