Letzte Aktualisierung: 22.07.2022

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Jetzt auch für Bestandsanlagen: Habeck kassiert 70 Prozent-Abregelung komplett!

Damit hätte wohl keiner gerechnet. Erst kürzlich wurde die 70 Prozent-Begrenzung nur für neue Solaranlagen gekippt. Gut so. Die Begründung, warum Altanlagen ausgenommen wurden, klang plausibel, aber ungewöhnlich: Netzbetreiber planen ja mit den Anlagen und sowieso gebe es zu wenig Handwerker. Jetzt verkündete Habeck auch das Aus für die 70 Prozent Wirkleistungs-Abregelung für alle Bestandsanlagen. Versteckt im gestern vorgestellten "Energiesicherungspaket"

Im gestern vorgestellten Energiesicherungspaket hat Robert Habeck in Aussicht gestellt, die 70 Prozent-Kappungsregel für Bestandsanlagen streichen zu wollen, die für Neuanlagen schon ab dem 1.1.2023 gilt. (Foto: energie-experten.org)

Durch die 70-Prozent-Regelung kann der Netzbetreiber seit 2012 die Solarstrom-Einspeisung von Privathaushalten ins Netz drosseln. Dieser Zugriff soll Stromnetzstabilität sicherstellen, falls das Netz überlastet ist. Aktuell dürfen daher maximal 70 Prozent des produzierten Stroms eingespeist werden, der Rest muss selbst verbraucht werden. Diese Regelung ist bürokratisch, veraltet und mindert unnötig das in Deutschland nutzbare PV-Potenzial.

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Wegen Aufwand: 70 Prozent Wirkleistungsbegrenzung nur für Neuanlagen

Daher hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Zuge der EEG 2023-Novelle beschlossen, dass die Regelung, dass am Netzverknüpfungspunkt die maximale Wirkleistungseinspeisung auf 70 Prozent der installierten Leistung begrenzt werden muss, ab dem 1. Januar 2023 für Neuanlagen entfällt. Für Bestandsanlagen blieb die gesetzliche Vorgabe zur Wirkleistungsbegrenzung gemäß § 9 EEG 2023 zunächst jedoch bestehen.

Als Begründung wurde angeführt, dass die Abregelung einerseits bereits bei der Prüfung der Netzanschlussbegehren und Netzanschlusszusagen von den Netzbetreibern berücksichtigt wurde. Und andererseits, dass für das Zurücksetzen von Wechselrichtern momentan zu wenig Fachkräfte zur Verfügung stünden bzw. der Aufwand nur einem geringen Mehrwert gegenüberstehe, da der Solarertrag der Bestandsanlagen sich allenfalls um 5 Prozent erhöhe.

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Wegen Gaskrise: Auch bestehende Solaranlagen sollen 100% einspeisen

Da sich Deutschland durch den russischen Angriff auf die Ukraine weiterhin in einer angespannten Gasversorgungslage befindet, sollen laut gestern vorgestelltem Energiesicherungspaket die Befüllung der Gasspeicher weiter gestärkt, der Erdgasverbrauch in der Stromerzeugung weiter gesenkt sowie Effizienz- und Einsparmaßnahmen erweitert werden.

Um den Erdgasverbrauch in der Stromerzeugung zu senken, will die Bundesregierung neben Steinkohlekraftwerken auch Braunkohlekraftwerke als Reserve vorhalten und wenn nötig aktivieren. Daneben soll auch die Biogaserzeugung ausgeweitet werden. Im Energiesicherungspaket vom 21. Juli 2022 kündigt das BMWK zudem an, die Einspeisebegrenzung von PV-Anlagen auf 70% nun auch rückwirkend für bestehende Solaranlagen streichen zu wollen, um auch mehr Strom aus Solarenergie gewinnen und den Gasverbrauch weiter reduzieren zu können.

"Auch die erneuerbaren Energien sollen einen stärkeren Beitrag leisten, um Erdgas aus dem Strombereich zu verdrängen. […] Damit Solaranlagen ebenfalls mehr Strom einspeisen können, ist angestrebt, die 70 Prozent-Kappungsregel für Bestandsanlagen zu streichen. Für Neuanlagen gilt das schon ab dem 1.1.2023. Derartige Maßnahmen verlangen gesetzliche Änderungen, die eng innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden."

Während für neue Photovoltaik-Anlagen die Vorschrift mit der jetzt verabschiedeten EEG-Novelle bereits ab dem kommenden Jahr 2023 in Kraft tritt, ist die Abschaffung der 70-Prozent-Kappungsregelung für bestehende Photovoltaik-Anlagen für die nächste EEG-Novelle vorgesehen. Diese soll jedoch wohl auch noch in diesem Jahr 2022 erfolgen, sodass evtl. ab 2023 alle neuen und alten Solaranlagen keiner Begrenzung der Wirkleistungseinspeisung am Netzverknüpfungspunkt auf 70 Prozent der installierten Leistung mehr unterliegen.

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Was bringt die Aufhebung der 70%-Begrenzung?

Für die Anlagenbesitzer bringt die Aufhebung der 70%-Begrenzung sicher ein gutes Gefühl, nun quasi nicht Potenzial oder Dachfläche unnötigerweise ungenutzt zu verschenken. Quantitativ ist der Effekt eher gering:

Die tatsächliche Stromerzeugung oberhalb 70 % der installierten Nennleistung ist aufgrund der Einflussfaktoren auf die Leistung von Solarmodulen daher sehr selten. Dies führt dazu, dass die praktischen Auswirkungen der 70%-Abregelung einer Solaranlage sehr gering ausfällt:

  • Je nach Lage und individueller Ausrichtung der PV-Anlage, sowie verwendeter Technik nennt das Fraunhofer ISE* Einnahmeverluste von rund 2 bis 5 % im Jahr durch die 70 % Abregelung.
  • Nach Angaben der Bundesnetzagentur lag der Anteil von Solarstrom an der abgeregelten Strommenge 2019 bei 2,7 %, wohingegen rund 96,7 % Windstrom abgeregelt wurde.
  • Eine Analyse von Janko Kroschl, Dipl.-Ing. Gutachter für PV-Technik und Solarwärme bei der DGS, vom Juni 2022 ergibt Einspeise-Verluste durch die 70%-Abregelung nach EEG im Jahr von 4,5% der jährlichen Solarernte. An einzelnen Tagen könne es laut DGS zu Verlusten von bis zu 17 % der möglichen Tages-Ernte kommen.

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