Netzentgelte 2023: Strompreise steigen trotz Angleichung
Für das kommende Jahr veröffentlichten die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW Anfang Oktober erstmals gemeinsam bundeseinheitliche Übertragungsnetzentgelte. Die vorläufigen durchschnittlichen Netzentgelte liegen demnach im nächsten Jahr 2023 bei 3,12 Cent pro Kilowattstunde.
Schrittweise Vereinheitlichung der Netzentgelte abgeschlossen
Die schrittweise Vereinheitlichung der Netzentgelte beruht auf dem im Juli 2017 beschlossenen Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG) und der darauf aufbauend am 25. April 2018 beschlossenen "Verordnung zur schrittweisen Einführung bundeseinheitlicher Übertragungsnetzentgelte". Die Verordnung sah vor, die Netzentgelte für die Nutzung der Übertragungsnetze in fünf gleich großen Schritten bis Anfang 2023 zu vereinheitlichen.
Im ersten Schritt wurde für das Jahr 2019 für 20 Prozent der Kosten der Übertragungsnetzbetreiber ein einheitliches Entgelt ermittelt. In den Folgejahren stieg der einheitliche Anteil jeweils um weitere 20 Prozent, so dass bis 2023 dann die gesamten Entgelte für die Übertragungsnetze überall in Deutschland gleich hoch sind. Dieser Prozess auf Grundlage des Netzentgeltmodernisierungsgesetzes von 2017 ist damit jetzt abgeschlossen.
Regelzone | 2022: Netzentgelte in den vier Regelzonen | 2023: Bundeseinheitliche Netzentgelte |
---|---|---|
50Hertz | 3,04 ct/kWh | 3,12 ct/kWh |
Amprion | 2,94 ct/kWh | 3,12 ct/kWh |
TenneT | 3,29 ct/kWh | 3,12 ct/kWh |
TransnetBW | 3,03 ct/kWh | 3,12 ct/kWh |
Als ursächlich für die Angleichung der Netzentgelte nannte das Bundeswirtschaftsministerium im Mai 2018 die fast doppelt so hohen Übertragungsnetzentgelte in einigen Regionen im Osten und in der Mitte Deutschlands "aufgrund der vielen Baustellen". Das frühere "BMWi" erwarte, dass dort die Übertragungsnetzentgelte durch die Angleichung sinken.
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EEG-Zuschuss verhinderte Verdreifachung der Übertragungsnetzentgelte
Eine wirkliche Entlastung ist letztendlich nur im Netzgebiet von TenneT eingetreten. In allen anderen Netzgebieten steigen die Netzentgelte 2023 nochmals an. Die Hauptursache sehen die ÜNB allerdings bei den erheblichen Preissteigerungen auf den Brennstoff- und Strommärkten, die vor allem auf Russlands Krieg gegen die Ukraine zurückzuführen sind. Diese sorgen mindestens im laufenden und im kommenden Jahr für Steigerungen, insbesondere bei den Redispatch-Kosten und bei den Kosten für die Netzreserve, für die Vorhaltung von Regelleistung sowie für die Beschaffung von Verlustenergie.
Für Stromkund*innen würden die Steigerungen sogar noch deutlich höher ausfallen, wenn die Bundesregierung kürzlich nicht 13 Milliarden Euro an die Übertragungsnetzbetreiber aus dem EEG-Topf überwiesen hätte.
Der BDEW begrüßte den staatlichen Zuschuss dank des Entlastungspakets der Bundesregierung zu den Übertragungsnetzentgelte 2023: Die krisenbedingten Mehrkosten insbesondere für Ausgleichsenergie und Redispatch führten sonst zu erheblichen Netzentgeltsteigerungen, die von allen Kunden getragen werden müssten. Insbesondere für die Industrie ist die Maßnahme eine wichtige Entlastung. Ohne Zuschüsse hätte es zu einer Verdreifachung der Übertragungsnetzentgelte kommen können, so der BDEW.
LichtBlick warnt vor Kostenexplosion zum Jahreswechsel
LichtBlick, einer der deutschen Ökostrom-Pioniere aus Hamburg, warnt, dass die 1600 Strom- und Gasnetzbetreiber in Deutschland zum Jahreswechsel kräftig an der Preisschraube drehen werden.
Die Netzentgelte steigen 2023 nach ersten Auswertungen um durchschnittlich 25 Prozent, umgerechnet 82 Euro (Strom) bzw. 86 Euro (Gas) pro Haushalt. Die Strom-Netzentgelte steigen beispielsweise in Berlin um 25 Prozent (93 Euro), in Hamburg um 17 Prozent (61 Euro).*
Damit erhöhten sich laut LichtBlick binnen kurzer Zeit die jährlichen Kosten für die Übertragungsnetze von 2,9 Milliarden auf 18 Milliarden Euro. Nimmt man die großen regionalen Verteilnetze hinzu, steigen die Gesamtkosten nach Berechnungen von LichtBlick von 25 auf deutlich über 40 Milliarden Euro.
LichtBlick kritisiert die "historisch einmalige Kostenexplosion" und die Intransparenz der insgesamt 1600 Netzbetreiber, die als regionale Monopolisten agierten und von der Bundesnetzagentur bzw. den Landesnetzagenturen beaufsichtigt werden. "Wir brauchen eine Aufarbeitung dieser Kostenexplosion. Sonst steht der Verdacht im Raum, dass Haushalte und Unternehmen deutlich zu viel für die Netze zahlen", so Markus Adam, Chefjurist von LichtBlick.
LichtBlick fordert, die Netze effizienter zu gestalten. So sollte beim Strom die Zahl der Verteilnetzgebiete von rund 900 auf 25 und die Zahl der Übertragungsnetzgebiete von vier auf eins reduziert werden. "Weniger Netzgebiete bedeuten geringere Kosten und eine effizientere Struktur für eine schnellere Energiewende", so Adam weiter.
Hintergrund: So kommen die Netzentgelte auf die Stromrechnung
Das deutsche Stromnetz besteht aus vielen, oft lokalen Verteilnetzen und dem überregionalen Übertragungsnetz. Das Übertragungsnetz ist in vier Gebiete aufgeteilt. Für jedes Gebiet gibt es einen verantwortlichen Übertragungsnetzbetreiber: TenneT und 50Hertz decken den Norden und den Osten des Landes ab, Amprion und TransnetBW den Westen und Südwesten.
Diese vier Übertragungsnetzbetreiber und die rund 900 Betreiber der lokalen Verteilnetze sind für den sicheren und zuverlässigen Betrieb des Stromnetzes und seinen weiteren Ausbau verantwortlich.
Die dabei anfallenden Kosten können sie anteilig den Stromanbietern in Rechnung stellen, die das Netz nutzen, um ihren Strom zu den Verbrauchern zu transportieren. Die Stromanbieter wiederum geben die Kosten mit der Stromrechnung an ihre Kunden weiter – in Form des Netzentgelts pro verbrauchter Kilowattstunde Strom.
Eine Ursache für die teils regional sehr unterschiedlichen Netzentgelten liegt im Ausbau erneuerbarer Energien. Um z.B. Windstrom aus Norddeutschland ins Netz einspeisen zu können, müssen die regionalen Netze ausgebaut werden. Die Kosten dafür legen die dortigen Netzbetreiber auf das Netzentgelt um. Daher ist das Netzentgelt in diesen Regionen, beispielsweise in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, besonders hoch.
Der Strom wird aber nicht nur in Norddeutschland verbraucht, sondern auch im Westen und Süden des Landes dringend benötigt. Deshalb ist es ungerecht, dass die Norddeutschen für den Netzausbau dauerhaft stärker zur Kasse gebeten werden als in diesem Beispiel die West- und Süddeutschen.
* Annahme: Haushalts-Jahresverbrauch von 4000 kWh Strom bzw. 20.000 kWh Gas.