Aiwanger unterstützt Habeck: Gaspreisbremse soll Industriestrompreis finanzieren
Gaspreisbremse wird viel billiger als gedacht
Die Gaspreisbremse wird viel billiger für den Staat als gedacht. Im Winter hatte die Bundesregierung 40,3 Milliarden Euro im Wirtschaftsstabilisierungsfonds vorgesehen. Nach aktueller Schätzung des ifo Instituts wird sie tatsächlich nur 13,1 Milliarden Euro kosten, ein Drittel der ursprünglichen Summe. „Ursache ist, dass die Gaspreise seitdem stark gefallen sind. Von den 13,1 Milliarden Euro entfallen knapp 12,4 Milliarden auf die Haushalte sowie die kleinen und mittleren Unternehmen, und knapp 700 Millionen auf die Industrie. Nicht entlastet werden Gaskraftwerke und größere Wohneinheiten“, sagt ifo-Experte Max Lay.
„Im Jahre 2024 rechnen wir mit null Ausgaben, denn bereits jetzt fallen viele neu abgeschlossene Gasverträge von Normalverbrauchern unter die Preisgrenze von 12 Cent für die Kilowattstunde. Industriekunden müssen schon seit ein paar Monaten nicht mehr als die durch die Preisbremse festgelegten 7 Cent pro Kilowattstunde zahlen.“
Lay fügt hinzu: „Auch wenn sich die Energiemärkte beruhigt haben, ist die Schätzung der Kosten für den Staat weiterhin mit hoher Unsicherheit verbunden, da ihr eine Prognose der Marktpreise für die jeweiligen Verbrauchsgruppen zu Grunde liegt.“ Die Prognose der Marktpreise für Erdgas stammt aus der ifo Konjunkturprognose Sommer 2023. Bei der Gaspreisbremse gilt für ein bestimmtes Kontigent ein garantierter Preis. Der Staat kommt für den Unterschied zwischen dem vertraglich vereinbarten Marktpreis und dem garantierten Preis auf. In der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wird dies als Gütersubvention an Unternehmen verbucht.
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Aiwanger: Einsparungen sollen „Wirtschaftsstrompreis“ subventionieren
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger schlägt vor, die Einsparungen für die Subventionierung eines „Wirtschaftsstrompreises“ zu nutzen: „Da sich die Situation bei den Gaspreisen deutlich entspannt hat, wird ein großer Teil der eingeplanten Milliarden nicht mehr zur Finanzierung der Preisbremsen benötigt. Mit dem nun verfügbaren Geld muss ein Wirtschaftsstrompreis finanziert werden, um die Energiekosten in Deutschland schnellstens weiter runterzubekommen, besonders auch für die Wirtschaft, die im internationalen Wettbewerb steht. Ein Preis von 4 Cent netto würde dazu führen, dass viele Betriebe in Deutschland weiterarbeiten, die derzeit ans Aufhören denken oder an die Verlagerung des Standorts ins Ausland. Die Bundesregierung hätte das noch vor der Sommerpause entscheiden müssen.“
Aiwanger unterstützt damit die bislang kontrovers diskutierte Forderung von Bundeswirtschaftsminister Habeck, einen ermäßigten Industriestrompreis einzuführen. Habeck hatte Anfang Mai sein Konzept für einen befristeten Industriestrompreis („Brückenstrompreis“) vorgestellt. Unternehmen, die eine bestimmte Energie- und Wettbewerbsintensität nachweisen können, sollen demnach für 80 Prozent ihres historischen Stromverbrauchs nur sechs Cent je Kilowattstunde Strom zahlen müssen.
Hohe Stromkosten gefährden deutsche Grundstoffindustrien
Verbände wie der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) e. V. halten einen Industriestrompreis für nötig, um zu verhindern, dass die energieintensive Industrie in Deutschland ins kostengünstigere Ausland abwandert. Die hohen Stromkosten in Deutschland, teils zehnmal so hoch wie in den USA, gefährden die Wettbewerbsfähigkeit und die Transformation der deutschen Industrie.
Betroffen seien vor allem die Grundstoffindustrien. Chemikalien, Metalle, Papier, Keramik, Glas – Produkte, die heute noch in Deutschland hergestellt werden: Eine Abwanderung riskiert einen Domino-Effekt, bei dem weite Teile der industriellen Wertschöpfungsketten ihre Standorte verlagern, so der VIK.
„Zwischenprodukte reisen nicht gerne“, erläutert Seyfert, seit dem 1. Juli 2020 Hauptgeschäftsführer des VIK. „Gerade Chemikalien werden oft mit bestimmter Temperatur oder bestimmtem Druck benötigt, weshalb sich weiterverarbeitende Unternehmen direkt am Produktionsstandort der Grundstoffindustrie ansiedeln. Zu glauben, man könne den Schaden für die industrielle Wertschöpfung in Deutschland irgendwie begrenzen oder steuern, wenn die Sache erst einmal ins Rutschen gerät, ist realitätsfern.” Das bedrohe mittelbar auch weite Teile der mittelständischen Industrie, die von Zulieferungen abhängig sind.
Die aktuelle Situation sei auch deswegen so riskant, weil jetzt eigentlich dringend die Investitions- und Standortentscheidungen für die Transformation zur Klimaneutralität in Deutschland getroffen werden müssen. Derweil hier die Stromkosten nicht wettbewerbsfähig bleiben, werben andere Länder mit niedrigen Energiepreisen und staatlicher Unterstützung aktiv um deutsche Unternehmen.
“Sinken die Energiekosten nicht, laufen wir Gefahr, dass unsere Unternehmen im Ausland investieren, transformieren und wir im internationalen Wettbewerb weiter zurückfallen", betont Christian Seyfert.
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Wissenschaftler halten Industriestrompreis für ökonomisch und ökologisch falsch
Wissenschaftler wie Clemens Fuest, Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft und Präsident des ifo Instituts, oder die renommierte Energie-Expertin Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sowie Professorin an der Leuphana Universität Lüneburg, halten einen Industriestrompreis für ökonomisch und ökologisch falsch.
In einem Tweet vom 5. Mai 2023 begründet Claudia Kemfert ihre Ansicht in 8 Gründen:
1. Ein Industriestrompreis für energieintensive Unternehmen sei laut Kemfert ökologisch und ökonomisch falsch, da teuer und unfair gegenüber nicht privilegierten Unternehmen und Haushalten, die alle hohe Strompreise zahlen müssen.
2. Die beste Strompreisbremse ist der schnellere Ausbau der erneuerbaren Energien.
3. Der energieintensiven Industrie wäre mehr geholfen, wenn schnelle Sonder-Genehmigungen für selbst erzeugte erneuerbare bzw. emissionsfreie Energien greifen würden.
4. Die stromintensive Industrie muss modernisiert werden, damit zukunftsfähige Jobs entstehen bzw. erhalten bleiben. Vor allem muss der Einsatz vom emissionsfreien Technologien forciert werden.
5. Eine mögliche De-Industrialisierung ist nur deshalb eine Gefahr, weil die Energiewende ausgebremst und sich zu stark an fossile Energien insbesondere Gas gekettet wurde. Eine Industrie-Strompreisbremse zementiert diese Strukturen und schafft falsche Anreize.
6. Strom ist vor allem aufgrund des hohen Anteils fossiler Energien teuer. Eine Subventionierung des Industriestrompreises für ausgewählte Industrien ist teuer, setzt Fehlanreize und verhindert die Modernisierung und Transformation hin zu mehr Strom-Sparen dem EE Einsatz
7. Eine Deckelung des Industriestrompreises für ausgewählte Industrien, so Kemfert, zementiere fossile Strukturen anstelle die dringend nötige Erneuerung zu fördern. Stärke des Wirtschaftsstandorts Deutschland basiert auf hoher Energieeffzienz und Innovationen und Know how.
8. Der Industrie wäre mehr geholfen durch Bürokratieabbau, schnelle Sonder- Genehmigungen für die Transformation, bessere Digitalisierung und Infrastrukturen, ein Fachkräfte- Booster Programm sowie Unterstützungen für Forschung und Entwicklung.
Lion Hirth, Professor an der Hertie School, verweist zudem darauf, dass die Industrie bereits Strompreis-Subventionen erhält:
- Strompreiskompensation iHv ca. 40-50 €/MWh
- Befreiung von der Stromsteuer, ca. 20 €/MWh
- Bis zu 90% Rabatt auf Netzentgelte, Wert ca. 10-15 €/MWh#
- Befreiung von Umlagen (KWKG, Offshore-Netz, §14), ca. 14 €/MWh
"Macht in Summe bis zu 100 €/MWh, grob geschätzt. Kann man zu wenig oder zu viel finden, aber sollte man wissen", so Hirth auf Linkedin.